Im Kampf um die Hörer

Aufmerksamkeit sollte bei einem Überblick auf zu erwartende Neuigkeiten weniger den kommenden Potpourri-Produktionen (auch wenn es sich um bedeutende Interpreten handelt) und den allzu großen Namen der Musik zugewendet werden, sondern dem bislang unerkundeten Terrain und Komponisten, die ein Nischendasein fristen. Denn im November und Dezember werden bei den um ihre Vormachtstellung kämpfenden Labels wiederum wenigstens 60 Prozent der Neuerscheinungen nur dem allseits Bekannten gelten … Das verdienstvolle Großprojekt von ECM zu armenischen Komponisten mit Aufnahmen seit 1979 etwa wird flankiert von einer Lieder-CD der Mezzosopranistin Mariam Sarkissian in Verbindung mit dem Pianisten und Komponisten Artur Avanesov, dessen Feux Follets mit Beispielen seiner armenischen Kollegen Ramanos Melikian und Tigran Mansurian ab 6. November 2015 vom Label Edel auf den Markt gebracht werden.

Das Label Solo Luminus veröffentlicht aktuell die geistlichen Lieder des Dichters und methodistischen Geistlichen Charles Wesley unter dem Motto "Lift Up Your Voice" (B015YQP93W).
Das Label Solo Luminus veröffentlicht aktuell die geistlichen Lieder des Dichters und methodistischen Geistlichen Charles Wesley unter dem Motto „Lift Up Your Voice“ (B015YQP93W).

Juan Hidalgo (1614 – 1685) wurde bislang als Randfigur der europäischen Barockzeit betrachtet, was sich angesichts des neuen Beitrags der Grande Chapelle unter Albert Recasens – und dank des Labels Lauda – bald ändern könnte: Música para el Rey Planeta versammelt ausnahmsweise geistliche Werke des königlichen Kapellmeisters und Harfenisten, die Philipp IV. von Spanien gewidmet sind. Bislang stand der Name des in Madrid geborenen Komponisten in Spanien fast ausschließlich für Zarzuelas und Opern überwiegend komischen Inhalts. Bei Edel Records sind neben den armenischen Liedern jetzt zwei weitere interessante Würfe zu erwarten: einmal die bereits 2009 aufgenommenen raren Kleinode für Violine und Klavier des aus jüdischer Familie stammenden Turiners Leone Sinigaglia (1868 – 1944), der auch in Deutschland und in der Tschechoslowakei lebte und schließlich in seiner Heimatstadt dem Nazi-Terror zum Opfer fiel. Das Schaffen des passionierten und folkloreorientierten Bergsteigers orientierte sich deutlich an der deutschen Romantik und an Dvořák. Alessandra und Massimiliano Génot interpretieren hier unter anderem seinen Piemontesischen Tanz op. 31, Humoreske, Capriccio, Madrigale Rustico und die witzige Staccato-Etüde für Klavier op. 11.

Auch weniger bekannte Oboenkonzerte der Wiener Klassik finden sich auf dieser am 6. November erwarteten Einspielung aus Litauen (B0157ELHFK).
Auch weniger bekannte Oboenkonzerte der Wiener Klassik finden sich auf dieser am 6. November erwarteten Einspielung aus Litauen (B0157ELHFK).

Klassische Oboenkonzerte aus Wien bietet die Einspielung auch wenig verbreitete Konzerte von Giuseppe Ferlendis (1755 – 1802 oder 1810), einem seinerzeit gefeierten Virtuosen des Instruments und Leopold Hofmann (1738 – 1793) durch den litauischen Musiker Andrius Puskunigis, derzeit erster Oboist bei den Heidelberger Symphonikern. Er wird begleitet vom heimatlichen St. Christopher Chamber Orchestra unter Donatas Katkus. Endlich wird auch der vermutlich im Erdbeben von Lissabon untergegangene Komponist Francisco António de Almeida (1702 – 1755), seinerzeit beliebt wegen zahlreicher komischer Singspiele und Kantaten, entsprechend gewürdigt: Sein 1729 im Lissaboner Ribeira-Palast uraufgeführtes Scherzo pastorale Il trionfo d’amore erscheint bereits am 30. Oktober in einer Box mit 2 CDs. Mit Ana Quintans und Carlos Mena in den Sängerhauptrollen sowie Os Músicos do Tejo hat es Dirigent Marcos Magalhães bühnenreif eingespielt.

Francisco António de Almeida beglückte das Publikum in Lissabon gegen Mitte des 18. Jahrhunderts mit seinen Singspielen und Kantaten (Pier Leone Ghezzi: Karikatur, Archivo veneziano, p.d.).
Francisco António de Almeida beglückte das Publikum in Lissabon gegen Mitte des 18. Jahrhunderts mit seinen Singspielen und Kantaten (Pier Leone Ghezzi: Karikatur, Archivo veneziano, p.d.).

Nur kurz sei hier auch auf die auf den 6. November datierte Neuerscheinung des nunmehr 4. Teils der Locatelli-Edition mit Concerti Grossi unter der Leitung von Igor Ruhadze und seinem auf alte Musik spezialisierten Ensemble Violini capricciosi hingewiesen. In der Reihe der ans Tageslicht (zurück)geholten Komponisten sollte außerdem einer der Gründerväter der methodistischen Kirche, nämlich Charles Wesley (1707 – 1788), mit seinen Chorwerken unter dem Titel Lift Up Your Voice beim Label Sono Luminus nicht übersehen werden; die Choral Arts Society of Washington Chamber Singers unter Scott Tucker bringt diese gleichfalls Ende Oktober mit ihrer Aufnahme ins (europäische) Gedächtnis.

 

 

 

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