Bis in die Gegenwart hinein sind es eher Musikerpersönlichkeiten, die das Archipel der Azoren hervorgebracht hat: Zu nennen wären der aus Praia da Vitória stammende Gitarrist Nuno Bettencourt, der die Hardrock-Band Extreme leitet, die „Country“-Formation Ronda da Madrugada von Santa Maria und der Folklore-Sänger Zeca Madeiros auf São Miguel. Allerdings hat vielleicht gerade die Abgeschiedenheit von Europa, dem die Inselgruppe trotz luftiger Ferne angehört, schon früh die so genannte Viola da terra hervorgebracht, eine Gitarrenvariante, die in der Regel über zwölf Saiten verfügt. Das Instrument weist einen langen Hals auf und – was außergewöhnlich ist – zwei Schalllöcher in Herzform. In der Regel dient es der Begleitung von Fado-Liedgut, klingt aber eher wie eine Flamenco-Gitarre.

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Komponisten der klassischen Sparten finden sich auf den entlegenen Inseln kaum. Umso bedeutender muss die Karriere Francisco de Lacerdas erscheinen, der 1869 in Ribeira Seca, einem Ortsteil der Gemeinde Calheta, geboren wurde. Mit vier Jahren erhielt er seinen ersten Klavierunterricht, besuchte dann auf der nicht gerade um die Ecke gelegenen Azoreninsel Terceira das Gymnasium und anschließend das Staatliche Konservatorium in Lissabon, wo ihn neben anderen José António Vieira unterrichtete. Bereits mit 23 Jahren lehrte er selbst als Klavierdozent an diesem Institut.

Von 1895 an vervollkommnete er seine Fertigkeiten in Paris, etwa bei Charles-Marie Widor im Fach Kontrapunkt. Zwei Jahre später trat er in die Schola Cantorum ein und perfektionierte sich als Organist ebenso wie als Komponist in der Klasse von Alexandre Guilmant und bei Vincent d’Indy.
Dieser erkannte seine Ausnahmebegabung und ließ ihn als Stellvertreter für seine Orchesterklasse arbeiten. So eröffneten sich ihm zahlreiche Möglichkeiten als Dirigent weiterzuwirken und Bekanntschaften mit den „angesagten“ Komponisten seiner Zeit zu pflegen.

Nach erfolgreichen Jahren in Frankreich und auch in Deutschland kehrte de Lacerda erst 1914 aus gesundheitlichen und familiären Gründen auf die Azoren zurück. Dort wohnte er in Fajã da Fragueira auf São Jorge unmittelbar an der Küste und widmete sich der Erforschung der heimischen Folklore ebenso wie seinen Kompositionen. Sieben Jahre später zog es ihn wieder nach Lissabon zurück, zwischen 1925 und 1928 dirigierte er mit großem Erfolg Konzerte in Marseille, wo er bereits persönlich bekannt war, doch zwangen ihn gesundheitliche Probleme, sich dauerhaft in Lissabon niederzulassen.

Sein Werk umfasst symphonische Dichtungen – etwa Almourol e Álcacer – ebenso wie Ballette, Orgel- und Gitarrenstücke, Streichtrios und -quartette sowie 36 Lieder mit Klavierbegleitung. José Eduardo Martins spielte für das Label De Rode Pomp Klavierwerke von Francisco de Lacerda ein und stellte sie neben Aufnahmen aus Debussys Repertoire.
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