Filmmusik und mehr: Mit griechischer Seele zwischen den Genres

Anders als viele ihrer professionellen MusikerkollegInnen veranlasste Eleni Karaindrou ihr späteres Studium in Paris keineswegs zu einer Wendung zur elektronisch erzeugten avantgardistischer Musik, sondern im Gegenteil: Sie studierte an der Sorbonne Musikethnologie und an der Schola Cantorum Komposition; schon hier zeigte sie eine deutliche Neigung zum Melos des elegischen Liedes. Dies brachte sie im Anschluss an ihre Rückkehr nach Griechenland dazu, am ORA Cultural Centre ein Laboratorium für traditionelle Instrumente zu gründen, was selbst damals als nicht-expliziter ästhetischer Protest etwa gegen die elektroakustisch bestimmte Ausrichtung des IRCAM-Institutes und seine vielen Nachahmer in der ganzen westlichen Welt betrachtet werden konnte.

Elegy of the Uprooting erschien als Doppelalbum mit der Sängerin Maria Farantouri vor zwei Jahren (B000H1R0GE).
Elegy of the Uprooting erschien als Doppelalbum mit der Sängerin Maria Farantouri vor zwei Jahren (B000H1R0GE).

Im Hinblick auf ihre dominierende Begabung im Klavierspiel und das Interesse am Musikschaffen selbst war es natürlich ein Glücksfall, dass ihre Eltern aus dem Bergdorf Tichio Doridas in Mittelgriechenland wegzogen, um sich in Athen niederzulassen. Denn in der Hauptstadt hatte sie die Möglichkeit Klavier und Musiktheorie zu studieren. Dies hinderte sie nicht daran, sich parallel professionell mit Geschichte und Archäologie, zwei (weiteren) Steckenpferden, zu beschäftigen. Das „frühe Brot“ garantierte ihr von 1975 an aber das Komponieren von Musik für das Theater und den Film. Sie schrieb zu zahlreichen bedeutenden Streifen die dramatische Begleitung, wenn nicht gar eine sehr persönliche akustische Deutung.

Eine größere Bedeutung selbst außerhalb Athens und Griechenlands erreichte 1986 ihre Musik zu Theo Angelopoulos‘ Filmen Der Bienenzüchter und Landschaft im Nebel. Tragischeren Stoffen arbeitete sie Anfang des neuen Jahrtausends mit ihrer Bühnenmusik Trojanische Frauen auf ein Drama von Euripides und für Christian Freis‘ War Photographer zu. Der Dokumentarfilm 6 x Venedig von Carlo Mazzacurati mit seinen zwar starren, aber pittoresken Stadtpanoramen bot ihr 2010 Anlass, passgenaue Musik zu liefern, die teils sogar komödiantische Züge trägt; schließlich werden nicht nur Ansichten von den Baulichkeiten der Stadt, sondern auch den in ihr arbeitenden und agierenden Menschen geboten: Ein Dieb „außer Dienst“ kommt ebenso vor wie ein Zimmermädchen oder ein Archäologe. Seit 1982 hatte sie eng mit Theo Angelopoulos zusammengearbeitet; ein großer Teil des Erfolgs seiner Filme hing von der besonderen musikdramatischen Textierung durch Eleni Karaindrou ab.

"Der Blick des Odysseus" hieß Theo Angelopoulos' Film, zu dem Eleni Karaindrou die ästhetisch bedeutende Musik schrieb (B000025XD6).
„Der Blick des Odysseus“ hieß Theo Angelopoulos‘ Film, zu dem Eleni Karaindrou die ästhetisch eigenständige Musik schrieb (B000025XD6, 1995).

Vom Film unabhängige Kompositionen der Griechin erreichten das Publikum dank der CD-Aufnahmen, von denen The Weeping Meadow (2001) sowie Elegy of the Uprooting (2006) mit Maria Farantouri und ihr Concert in Athens von 2013 mit Kim Kashkashian, der Jazzgröße Jan Garbarek, und Vangelis Christopoulos größere Aufmerksamkeit auf sich zogen. Zum Film The Great Wake von 1975 hatte sie schon mit Liedern für die Stimme von Maria Farantouri beigetragen, von den weiteren kinematographischen (Zu-)Arbeiten sollte auch ihr ästhetisch wesentlicher Beitrag zu Margarethe von Trottas L’Africana (Die Rückkehr) von 1990 Erwähnung finden. Zuletzt trat sie 2014 mit ihrer musikdramatischen Version des Medea-Stoffs hervor.

 

 

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