Ebenso wie Hector Berlioz selbst, dessen Instrumentationslehre sie zur Orchestrierung eigener Werke studierte, war Amy Marcy Cheney (1867 – 1944) eine weitestgehend autodidaktisch gebildete Komponistin. Ihr Elternhaus stand in West Henniker im US-Bundesstaat New Hampshire, wo sie – noch beinahe ein Baby – die ersten Zeichen musikalischer Begabung zeigte und schon als Kleinkind mit Mehrstimmigkeit geschickt umzugehen wusste. Der Zeit gemäß war es natürlich ausgesprochen schwierig sich als Frau in einer Männerdomäne zu behaupten, denn sie sollte für das Wirken im Haus, nicht aber für Auftritte in der Öffentlichkeit vorbereitet sein. Sie verfolgte aber mit großem „Sendungsbewusstsein“ ihren Weg der musikalischen Laufbahn auch gegen wohlmeinende Empfehlung der Eltern weiter.

1885 heiratete sie und hieß von nun an Amy Beach. Sie wurde als von der Spätromantik geprägte musikalische Vertreterin der USA auf der Weltausstellung 1893 in Chicago einem größeren Publikum bekannt und später, weil sie sich vehement für die Frauenemanzipation einsetzte. Nachdem ihr Mann bereits 1910 gestorben war, tourte sie mit ihrem eigenen Klavierprogramm durch Europa, ließ sich kurze Zeit in Peterborough in New Hampshire nieder und siedelte dann nach New York über, wo sie für die größte Episkopal-Kirchengemeinde Manhattans tätig wurde. Sie gilt im übrigen als erste Frau in den USA, die eine vollständig eigene Symphonie komponiert hatte (e-Moll, Gaelic, 1894-96), wobei ihr persönlicher Stil, teils von einem Hang zu Modulationen geprägt, ist, nur schwer zu definieren ist.
Ihre Arbeitsweise kann als durchaus selbstkritisch bezeichnet werden: Die Entstehung ihres Klavierkonzerts cis-Moll op. 45 in Boston zog sich ein ganzes Jahr hin bis zum September 1899, danach feilte sie noch einige Monate an seiner Form weiter. Die Partitur weist eine eher ungewöhnliche Zusammenstellung der Bläser neben dem Apparat des Streichorchesters auf. Im ersten Satz, im Tempo Allegro moderato einsetzend, werden zwei ganz verschiedene Themen zunächst hintereinander vorgestellt, wobei das zweite auf Beachs frühem Kunstlied Jeune fille et jeune fleur op. 1, Nr. 4 basiert. Das anschließende Scherzo beruht auf dem Lied Empress of Night, op. 2, zu dem ihr Mann den Text geschrieben hatte. Eignet dem Largo ein vorgeschrieben tragischer Charakter, so kann der Pianist im brillierenden und optimistisch gestimmten letzten Satz sein virtuoses Können unter Beweis stellen. In ihm wird das tragische Thema des vorhergehenden Satzes auch wieder aufgegriffen. Als Einspielung liegt etwa die Aufnahme mit Alan Feinberg am Klavier und dem Nashville Symphony Orchestra unter Kenneth Schermerhorn vor (Naxos 8.559139, 2003).

Neben etlichen Liedern mit Gesangsstimme und Klavier, darunter das populär gewordene The Year’s at the Spring, komponierte Amy Beach auch Solowerke und die Sonate a-Moll für Violine und Klavier op. 34. Letztere liegt in etlichen Aufnahmen, unter anderem mit dem Ambache Chamber Orchestra (Chandos 10162) oder mit dem Arcos Trio (White Pine Music WCD202) vor. 1986 erschien eine Einspielung beim Label Da Capo. 2014 erschien endlich auch eine zeitgemäße Studienpartitur im Faksimile-Reprint zu diesem bedeutsamen amerikanischen Kammermusikwerk (University Press ASIN: B00I6TTL66).
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