Einer der ältesten heute noch bekannten europäischen Kunsttänze ist der Branle, in Italien auch als Brando bekannt. Der aus dem 12. Jahrhundert überlieferte Kettentanz kannte von Region zu Region unterschiedliche Schrittfolgen. Namengebend war eine charakteristische Bewegung, die er erforderte, nämlich sich von einer Seite auf die andere zu wiegen. Hier ist aber nur der Schlussschritt gemeint, den die Tabulaturen der Basse danse, einem von etwa 1450 bis 1525 gebräuchlichen Hoftanz zuschreiben. Thoinot Arbeau (1519 – 1595), ein Tanztheoretiker aus Dijon und heute einzigartige Quelle zur Renaissancemusik, kennt zwei wichtige Varianten des Tanzes.

Der gewöhnliche Branle double ist durch einen Doppelschritt nach links und rechts im Anschluss an die Reverenzgeste gekennzeichnet, während der ebenso geradtaktige Branle simple den einfachen Schritt nach rechts vorgibt. Hier wird die Melodie zwar an die Double-Ausführung angelehnt, aber reduziert. Im Anschluss folgten zunehmend schnellere Varianten, von denen diejenigen nach Art der Bourgogne oder Champagne erwähnt werden, als populärster galt der nach Poictou benannte Branle. Eine Zeitlang wurde auch die Gavotte unter diese Gattung gezählt.

Dass der Tanz Ende des 17. Jahrhunderts in seinen stilisierten Formen außer Mode kam und nur noch in reigenartigen folkloristischen Tänzen weiterexistierte, ist ein Beispiel für „gesunkenes Kulturgut“, wobei damit aus heutiger Sicht keine Abwertung verbunden ist. Schon auf den Hofbällen Ludwig XIV. kannten die Geladenen nur noch den Branle à mener und die Gavotte, hinter denen entweder eine Courante zu meistern war oder – wie bei Jean-Philippe Rameau – ein Menuett. Als Überlieferer des Tanzes, die hier auch komponierend in Erscheinung treten, sind besonders Pierre Attaingnant (1530), Michael Praetorius (1612) und William Brade (1617) zu nennen. Von ersterem gibt es eine Einspielung von Doulce Mémoire (2010), die Beispiele aus Arbeaus Orchesografie (1588) sind 2000 von der dänischen Ny Renaissance Band auf CD (Arabesque B000000T5U) veröffentlicht worden, Praetorius‘ Terpsichore-Sammlung verschiedener Tänze liegt beispielsweise in einer Aufnahme des Ensembles The Parley of Instruments (Hyperion 2001, B00005LDAW) vor.
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