Entgegen einer verbreiteten Annahme war die Bourrée zunächst ein höfischer Tanz des 16. Jahrhunderts im lebhaften 2/2, 2/4- oder 4/4-Takt, der erst später tatsächlich zum Volkstanz wurde. In der Auvergne, von der sie angeblich stammte, fand sie erst im Laufe des 19. Jahrhunderts Eingang. Überliefert sind jedenfalls einige markante Beispiele aus der barocken Musizierpraxis, unter anderem auch von J.S. Bach, der sie in einer seiner Orchestersuiten mit einem Double kombiniert. Auch in der Oper und im Ballett fand der immer beliebter werdende Tanz Anwendung.

Die polnische Komponistin Wanda Landowska (1879 – 1959) nahm sich der Bourrée teils mit ihrer typischen Ausprägung in der Auvergne als Cembalostück an, denn dies war ihr eigentliches Instrument, mit dem sie nach Anraten ihres späteren Mannes Henri Lew in der Öffentlichkeit auftrat. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits ein erfolgreiches Klavierstudium am Warschauer Konservatorium und mit Heinrich Urban in Berlin abgeschlossen. Durch ihre verdienstvolle Pioniertat, auch während der Pariser Jahre von 1921 bis 1922 und der Zeit, in der sie ihre eigene Musikschule gründete, rückte die Cembalomusik des 17.und 18. Jahrhunderts überhaupt erst ins Bewusstsein des Konzertpublikums am Vorabend des 1. Weltkriegs. Schließlich fußen auch die Alte-Musik-Bewegung und die „historische Aufführungspraxis“ auf ihren Bemühungen, nicht zuletzt, was die Spiel- und Verzierungstechnik betrifft.
Dabei scheute Wanda Landowska keine Ausgaben: Im Zuge ihrer Konzerte mit der Schola Cantorum unter Guilmant oder Vincent d’Indy ließ sie sich ein eigenes zweimanualiges Cembalo von Pleyel mit einer sonoren, tieftönigen 16′-Registrierung bauen. Nachdem sie sich, den Nationalsozialisten aus Frankreich entkommen nach 1950 in Lakeville (Connecticut) niedergelassen hatte, entstanden erst ihre eigentlichen Schallplattenaufnahmen, zu denen Bachs Goldbergvariationen und zahlreiche Werke von Domenico Scarlatti und Jean-Philippe Rameau zählten.
Eine Einspielung der Bourrée d’Auvergne liegt auf der Rezital-CD „Dances of Poland – A Treasury“ (B000A7XJXS) vor, auf der außerdem Werke von Oginski und Ram enthalten sind. Auf YouTube unter http://www.youtube.com/watch?v=Sv9AK6wxevY sind Bilder aus ihrer späteren Zeit zusammen mit ihrer eigenen Präsentation der Komposition zu sehen. Diese zeichnet sich durch ihre enge satztechnische Anlehnung insbesondere an die französischen Vorbilder um Francois Couperin und Rameau aus und selbst die Führung der Bassstimme atmet ganz den Geist des französischen Hofs unter Ludwig XIV. und seinem Nachfolger, mit einem Hauch von den derb-lustigen Auftritten der Tanzgesellschaften in der Auvergne versehen … ein kleines Preziosum aus dem Schatzkästchen der Cembaloliteratur, das alterslos originell bleibt.
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