Mit Abwechslungseffekt: Violinsonaten und ein schlafender Odysseus

In mehrfacher Hinsicht normabweichend erscheinen heute die Violinsonaten der bekanntesten Cembalistin und Komponistin des französischen Barock: Nicht alleine, dass sie aus vier bis neun Sätzen bestehen, sie enden noch dazu in der überwiegenden Zahl auf einem langsamen Satz wie Aria oder Adagio, während die Ecksätze der meisten in- und ausländischen Kollegen die schnelle Gangart vorlegen. Starre Muster fehlen in Elisabeth-Claude Jacquet de la Guerres Kammermusik weitestgehend, chamäleonartige Umfärbungen zwischen Dur und Moll sind gewissermaßen an der Tagesordnung.

Sie war die erste Komponistin Frankreichs, die eine Oper komponierte: Élisabeth-Claude Jacquet de la Guerre (1655 - 1729). (Porträt von François de Troy, vermutl. Ende des 17. Jh., p.d.).
Sie war die erste Komponistin Frankreichs, die eine Oper komponierte: Élisabeth-Claude Jacquet de la Guerre (1655 – 1729). (Porträt von François de Troy, vermutl. Ende des 17. Jh., p.d.).

Zu Recht also ehrte anlässlich ihres runden, nämlich 350. Geburtstags 2015 das eidgenössische Ensemble Musica Fiorita (Chamber Music, Panclassics, B00WLDSCM2) die für ihre feinsinnigen und schön ausgearbeiteten Melodien am Hof von Ludwig XIV. bekannte Pariser Musikerin. Diese wurde im Jahr 1665 sozusagen in die Musik hineingeboren, da der Vater, Claude Jacquet, selbst als Organist in der französischen Metropole wirkte. Als probate instrumentalkünstlerische Nachfolgerin der Französin kann die Leiterin des Ensembles, Daniela Dolci gelten, die ihrerseits an der Schola Cantorum Basiliensis Historische Tasteninstrumente und Alte Musik studiert hatte und als Cembalistin sowie als Expertin für die Generalbassausführung nach originalen barocken Dokumenten vielfach gefragt ist. Musica Fiorita machte sich bereits einen Namen mit zahlreichen Einspielungen von Werken, die zwischen dem 16. und dem Anfang des 18. Jahrhunderts entstanden. Dabei scheuen die auf Originalinstrumenten spielenden Musiker keine Mühe, in nahezu unerforschtes Terrain vorzudringen, sei es mit den Motetten von Johann Melchior Gletle oder Valentin Molitor und den Oratorien von Camilla De Rossi.

Die Kantate "Der Traum des Odyssseus" gehört zu den späteren Werken Jacquet de la Guerres (B00004VS4H, Alpha Note 1, 2000).
Die Kantate „Der Schlaf des Odyssseus“ gehört zu den späteren Werken Jacquet de la Guerres (B00004VS4H, Alpha Note 1, 2000).

Der Sonnenkönig hatte sich von Jacquets Begabung bereits überzeugen können, als sie im Alter von fünf Jahren vor ihm spielte. Eine seiner Mätressen nahm sie unter ihre Fittiche, unterstützte sie finanziell und sorgte dafür, dass ihre Kompositionen nicht in der Privatschatulle verblieben. Durch den Mercure Galant lassen sich die Erfolge der Aufführungen mit ihren Werken nachvollziehen. Im übrigen Europa erhielt man so und durch die Fama Kunde vom Wirken der Cembalistin. Johann Gottfried Walther bestätigte in seinem Musicalischen Lexikon 1732 ihren Ruf als „Wunder unseres Jahrhunderts“. Leider sind nicht viele originale Werke der Komponistin erhalten, doch zählen neben den Sonaten die Opern Céphale et Procris und Les jeux à l’honneur de la victoire hinzu. Ihre Kantate Le Sommeil d’Ulisse, die etwa 1715 erschien, wurde vom Ensemble Les Voix Humaines mit der Sängerin Isabelle Descrochers aufgenommen. Des weiteren stammen L’Isle de Delos und die dem alttestamentarischen Stoff folgende Kantate Samson aus der Feder Jacquets, die seit 684 mit dem Organisten Marin de la Guerre verehelicht war.

 

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