Unspektakulärer Erfolg der Zigeunermusik

Dem Zigeuner ist, so heißt es, Musikalität bereits in die Wiege gelegt. Hört man sich in unseren Innenstädten um, scheint sich dies insbesondere im Hinblick auf das Instrumentalspiel fast mit hundertprozentiger Gültigkeit zu bestätigen: Kaum sonst ein Straßen- oder auch Bühnenmusiker ist in der Lage so rhythmus-, harmonie- und -melosgenau zu spielen und zu improvisieren wie ein Roma oder Sinti mit seiner Violine, Gitarre, Banjo oder Schlagwerk. Dabei wird hierzulande nicht immer spezifische Musik aus dem engsten Kreis der Musikanten  gespielt, sondern häufig südosteuropäische Weisen anderer Herkunft und gelegentlich auch dem Flamenco nahe oder südamerikanische Musik in meist einzigartiger Virtuosität. Umso bedauerlicher, dass ihre Kunst selten gerecht in barer Münze geschweige denn mit einer geregelten Bezahlung honoriert wird.

Zigeuner als Musiker in unseren Innenstadtbereichen (H.-P. Mederer)
Zigeuner als hochvirtuose Musiker in unseren Innenstadtbereichen, hier mit lateinamerikanischer Folklore am Erfurter Anger (H.-P. Mederer, Foto m.G. der Musiker)

Das war nicht immer so: Seit dem 15. Jahrhundert sind musizierende Sinti und Roma in Ungarn belegt. Sie entwickelten schon in früher Neuzeit eine Art städtisch-volkstümliche Musik, zu denen die Verbunkos und der Csárdás zählten. Am Wiener Hof stand der Primas János Bihari mit seiner Kunst in hohem Ansehen und spielte 1814 vor dem Wiener Kongress. Bekanntlich bautb die spanische Variante der gitanos nicht nur auf der iberischen Folklore, sondern auch auf orientalisch-maurischer und damit ebenso afrikanischer Musik auf. Der Cante jondo Andalusiens und der Cante flamenco sind heute weltweit beliebt. Im 20. Jahrhundert entstand der so genannte Gypsy Swing, eine Mischform aus Jazzstilen, französischem Walzer und spezifischer Roma-Musik.

Gewisse Ähnlichkeiten des Flamenco und anderer Spielarten mit indischer Musik, auch die Glissandi und Kleinstintervalle ließen Forscher (und die Gerüchteküche) schon früh darauf schließen, dass es sich bei den Zigeunern um eine im Mittelalter ins Exil geschickte indische Kaste oder Volksgruppe handelte. Es hieß, sie seien über Ägypten – daher ja die englische Bezeichnung „gypsies“ – als Pilger nach Europa gelangt.

Der Geigenvirtuose Joszef Lendvay spielt hier nicht nur einige der beklanntesten Zigeunerweisen, sondern auch den "Hummelflug" (Sony Classical 2005).
Der Geigenvirtuose Joszef Lendvay spielt hier nicht nur einige der bekanntesten Zigeunerweisen, sondern auch den „Hummelflug“ (Sony Classical 2005).

Die Musik des bis heute zu einem großen Anteil „fahrenden Volks“ ist glücklicherweise nicht nur live, sondern auch auf etlichen Tonträgern greifbar. Lakatos – König der Zigeunergeiger nennt sich eine fast schon historische Reminiszenz, die den ungarischen Violinisten und sein nach ihm benanntes Ensemble feiert (DG, B00002436E). Dem populären Geiger Joszef Lendvay hat Sony 2005 eine Einspielung wichtiger Stücke gewidmet (B0007WQB68). Eine Anthologie griechischer Zigeunermusik der Formation Takoutsia von Zagori bietet das Label Extraplatte unter dem Titel Epiros (B000027OL7).

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