Kategorie: Alben- & Singlereviews
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Nur Etüden?
Von ihrem äußerst bewegten Leben abgesehen sollte die geborene Comtesse de Charnay namens Hélène de Nervode besonders deshalb nicht mehr in Vergessenheit geraten, weil sie ihre große Begabung für das Instrumentalspiel mit gesellschaftlichem Engagement zu verbinden wusste, und dies nicht nur in den Kreisen des Adels. War sie zunächst eine erfolgreiche konzertierende Cembalistin, wurde sie…
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Klänge verborgener Orte
Bekanntlich experimentierte Karlheinz Stockhausen einst mit Geräuschen als musikverwandten Klangereignissen und setzte sie in räumliche Bezüge. So entstand 1968 sein innovatives experimentelles Gemeinschaftswerk Musik für ein Haus, in Verbindung mit dem Posaunisten Vinko Globokar, dem Geiger Saschko Gawriloff und dem Oboisten Heinz Holliger – und nicht zuletzt dem Publikum, das akustische Erfahrungen in den Räumlichkeiten…
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Il Fido Amico: bisher verschollen
Noch produktiver als seine nahezu gleichaltrigen Zeitgenossen Georg Philipp Telemann und J.S. Bach komponierte Christoph Graupner ganze 1418 Kantaten, darüber hinaus zahlreiche Instrumentalwerke in unkonventionellen Besetzungen, etwa ein Konzert für Oboe d’amore, Flöte d’amore und Viola d’amore in G-Dur oder eines in B-Dur für Viola d’amore, Chalumeau und Oboe. Seine Bühnenwerke wies Christoph Graupner überwiegend…
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Brescianellos Concerti und Sinfonie
Große Kirchen haben den Nachteil, dass sie, führt man in ihnen weltliche Musik auf, sehr starken Widerhall aus verschiedenen Richtungen reproduzieren, was den Eindruck, den der Hörer von einem Konzertsaal regulariter gewohnt ist, nicht ersetzen kann. So auch geschehen bei der Aufnahme des ansonsten unglaublich präsent aufgenommenen Albums von zwei dreisätzigen Sinfonie, drei Concerti mit…
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Die frühe Allroundkünstlerin
Das Wunderkind im Walzerland: Der Vater war Komponist, die Mutter nähte in gehobener Stellung für den Wiener Hof. Sie selbst galt schon sechsjährig als Wunderkind am Klavier und trat in Folge in sehr jungen Jahren immer wieder als Konzertpianistin auf. Ihre Eltern beförderten sehr ehrgeizig ihre Karriere und so sollte sie auch bald komponieren und…
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Symphonikerin und Dirigentin: Ruth Gipps
Durch eine von männlichen Netzwerken dominierten Domäne wie derjenigen der öffentlichen Kunstmusik suchte sie sich ihren eigenen Weg zu bahnen und erwies sich auch als durchsetzungsfähig. Als sie den Versuch unternahm, Dirigentin eines großen Symphonieorchesters zu werden, scheiterte sie an den Vorbehalten gegenüber eine Frau am Pult: Es galt auch in der zweiten Hälfte des…
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Tag und Abend symphonisch
Die Mystik und Melancholie ihrer Heimat Litauen kompositorisch zu erkunden ist Raminta Šerkšnytės besonderes Anliegen. Sie tut dies seit etlichen Jahren mit ungewöhnlichen Mitteln und bedient sich dabei sowohl aus Musik der westlichen als auch der östlichen Hemisphäre. Beim Komponieren ist die aus Kaunas stammende Musikerin, die vor der Ausbildung zur Dirigentin zunächst ein Klavierstudium…
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Eher individualistisch als postmodern
Zu drei britischen Komponistinnen des 20. Jahrhunderts, die „zwischen den Stühlen“ des teils noch spätromantisch geprägten Expressionismus und der Postmoderne ihren Platz suchten, ist anzumerken, dass sie aus kontinentaler Perspektive nach ersten Erfolgen kaum mehr wahrgenommen wurden. Dabei gilt etwa Elizabeth Maconchy (1907 – 1994) nicht nur in Europa, sondern weit über den Kontinent hinaus…
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Berückender Norden
Die Musik von Nancy Dalberg ist schlicht außergewöhnlich zu nennen, für die Entstehungszeit ihrer Orchester- und Kammermusikwerke ebenso wie für ihren expressiven spätromantisch beeinflussten Stil. Gleichermaßen entfaltet sie Melodien, die immer auch von Nachdenklichkeit und neugierigem Suchen nach Klangschönheit geprägt sind. Erkennbar hat sie dennoch das neunzehnte Jahrhundert überwunden; ihre Musik schließt zu neuen Formen…
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Eigenständige Künstlerin statt „guter Tochter“
Das Wunderkind aus Florenz Il primo libro delle musiche, 1618 veröffentlicht, war das einzige Buch der einunddreißigjährigen Virtuosin Francesca Caccini, das unmittelbar aus ihrer persönlichen Gesangsübung entstanden ist. Es handelt sich um eine der größten Sammlungen von Kammermonodien überhaupt, die verschiedene Vokalformen der Zeit repräsentieren: Sonetti, Ottave, Ottave sopra la Romanesca, Canzonette, Mottetti, Hinni, Arie,…