In der Geschichte der polnischen Musik genießt Zygmunt Noskowski (1846 – 1909) sowohl den Ruf eines emsigen Kompositionslehrers mit einer großen Zahl begabter und später sehr erfolgreicher Schüler als auch den eines für sein Herkunftsland singulären Exponenten nationalromantischer Provenienz. Zunächst studierte er Violine bei Apolinary Kątski, dann Komposition bei Stanisław Moniuszko (1819 – 1872). Nach Jahren im Ausland wurde Noskowski 1888 Hochschullehrer am Warschauer Musikinstitut und übte einige Zeit später, von 1905 bis 1908, das Amt des Chefdirigenten der Warschauer Philharmonie aus.

Es war das Verdienst des jungen Dirigenten Łukasz Borowicz, sich in den letzten Jahren einer ganzen Reihe von Noskowskis symphonischen Kompositionen angenommen zu haben. Beim ersten Blick auf die polnische Musik des 19. Jahrhunderts fällt nämlich eine durchgängige Pflege von Lied und Kammermusik für das familiäre Interieur auf, nicht aber von orchestraler Musik für große Konzertsäle. Den Anstoß zu einer eigenständigen symphonischen Ausrichtung gab wohl Ignacy Feliks Dobrzyński (1807 – 1867), ein Schüler von Józef Elsner. Er entdeckte Noskowskis musikalisches Talent, neben dem sich nur noch Stanisław Moniuszko, der Schöpfer der polnischen Nationaloper, behaupten konnte.
Die zweite Symphonie Elegijna in c-Moll (1875-79) – unter dem Eindruck des antizaristischen Januaraufstands 1863 entstanden – weist noch Züge der überaus originellen und unverwechselbaren Anfangswerke auf, erscheint aber im Expositions- und Durchführungsteil etwas konventioneller. Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in derdeutlichen Differenzierung der einzelnen Satztypen bewusst Gegensätzliches angelegt ist: im ersten wird einem Kujawiak-Rhythmusmotiv ein lyrisches und pomphaftes zur Seite gestellt, der folgende, Vivace überschriebene Scherzo-Satz ist rhythmisch ganz nach Noskowskis Lieblingstanz, dem Krakowiak, gestaltet. Der dritte Satz, eine Elegie in mäßigem Tempo soll in seiner dunklen, melodisch absteigenden Faktur wieder an das Motto der Symphonie erinnern, während der finale vierte Satz in ein heroisches Thema ausgreift und sich – unter Verwendung der allgemein bekannten Melodie der Dąbrowski Mazurka – ins Triumphale steigert. Das Polska Orkiestra Radiowa Warschau wird den Themen- bzw. Stimmungswechseln in den sehr unterschiedlichen Teilen der Symphonie immer gerecht, ohne jemals ins Plakative abzugleiten.
Ein spätes Orchesterwerk des Komponisten, in das einige heimatliche Tänze und ihre schwungvollen Rhythmen eingeflossen sind, ist Odgłosy Pamiątkowe (1904-05, „Vertraute Töne“), das eine kleine Schatzkammer bekannter Melodien darstellt, die jedem beim ersten Hören sofort „vertraut“ erscheinen mussten. Ganz im Unterschied hierzu handelt es sich bei den Variationen in e-Moll nach einem Originalthema (1883) um ein eher frühes Werk der mittleren Schaffenszeit, das vor allem in seinen dezidiert kontrapunktisch-polyphon gearbeiteten Abschnitten noch viel stärker westeuropäischer Tradition verpflichtet erscheint, wobei die Verarbeitung des Themas ab und an auch an zeitgenössische tschechische oder russische Kompositionen der Zeit denken lässt. Der enger gefasste „nationalromantische“ Stil ist hier in gewisser Weise bereits vorgebildet.
Wenn es um die Frage nach dem außermusikalischen Programm seiner Werke geht, so verband Noskowski einiges mit Antonín Dvořák, Edward Elgar oder Richard Strauss, die neben anderen, durchaus international ausgerichteten Projekten bemüht waren, literarische Inhalte oder geschichtliche Ereignisse aus der eigenen Heimat durch Kunst in die Gegenwart hereinzuholen und gleichzeitig ihre Bedeutung apotheotisch und gelegentlich unter Verwendung folkloristischer Anklänge zu idealisieren.
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