Oft sind auf der Straße wie auch in den Tanzsälen und Auditorien des zentralsüdamerikanischen und fast ausnahmslos vom Urwald geprägten Staates Paraguay Harfen- und Gitarrenspieler anzutreffen. Ihr bekanntester Repräsentant ist bis heute der in San Juan Bautista de Misiones geborene Agustín Barrios ‚Mangoré‘, virtuoser Gitarrist und Komponist, der der lateinamerikanischen „romantischen“ Moderne seinen Stempel aufdrückte. Er legte sehr viel Wert auf eine breite Bildungsbasis, um das Spiel auf der Gitarre wirklich zu beherrschen, war sowohl in Mathematik und Philosophie als auch in der Literatur zu Hause. Der imposante Kirchenbau von Montevideo inspirierte ihn zu seinem Stück La Catedral, heute einem der meistgespielten der insgesamt etwa 300 Werke, von denen nur 105 „offiziell“ überliefert sind.

Die Kompositionen aus Barrios mittlerer Schaffensperiode klingen gemessen an der Entstehungszeit vielleicht auch deshalb so zeitlos modern, weil er hier deutlich an die so ganz anderen indianischen Traditionen des Landes anknüpft. Der „Paganini der Gitarre“ und Vater aller Schallplattenaufnahmen für das Instrument identifizierte sich letztlich weitgehend mit der indigenen Kultur seiner Heimat, dass er bei Konzerten anfänglich im Indio-Ornat auftrat. Nur im knappen Zeitrahmen eines Jahres, nämlich 1935, hielt er sich in Europa, namentlich in Belgien und Spanien auf, begleitet vom paraguayanischen Botschafter in Mexiko, Tomás Salomonis und seiner Familie.
In dem von den Nazis beherrschten Deutschland, das ihn als Reiseziel wohl nur im Zusammenhang mit seinen häufig im Frack zelebrierten Bach-Transkriptionen interessierte, gab Barrios allerdings keine Konzerte. Wesentlich durchschlagender waren freilich seine Erfolge als Musiker und Komponist in Argentinien. Erst spät winkte ihm als bekanntestem Vertreter der klassischen paraguayanischen Szene der Lorbeer einer Professorenstelle in San Salvador.

Der moderate, langsame Gesang der Guarania wurde von dem ebenfalls klassisch ausgebildeten Militärmusiker José Asunción Flores (1904 – 1972) um 1920 entwickelt. Er gehörte gleichermaßen zum Repertoire von Agustín Pío Barrios wie das paraguayanische Lied oder die Polka-Variante Purahéi. Neben der regulären Polka wird die Galopp-Polka praktiziert, an der aber nur Frauen im Ensemble beteiligt sind. Dabei wird eine Kreisformation eingenommen, bei der die Tänzerinnen einen Krug oder eine Kanne in den Händen von einer Seite auf die andere zu balancieren haben.
Zur ländlichen Folklore des Purahéi jahe ó spielen seit jeher Musiker mit der paraguayanischen Harfe, zwei Gitarren, Akkordeon und Kontrabass auf. Traditionell werden sie während des achtstündigen Festes auf einem Ochsenkarren gefahren. Daneben existiert eine deutlich subtilere Form der romantischen Serenade namens Serenta, die jedoch in der Morgendämmerung zur Aufführung kommt. Die liedhaften Gesänge sind in der Regel in der am weitesten verbreiteten Indio-Sprache, dem Guaraní, gehalten.

In Städten wie Asunción trifft der Besucher auch heute Terzett-Ensembles an, die sich meist aus einem Harfenisten, dem Spieler des zehnsaitigen, mit Plektrum geschlagenen Requinto und einem Gitarristen zusammensetzen. Dazu wird dreistimmig gesungen, wobei die geringere Rolle dem Harfenspieler zufällt. Überwiegend erklingen diese stark von den Instrumenten mitbestimmten Lieder auf spanisch, die bekanntesten allerdings werden in Guaraní und manche in der vermischten Gebrauchssprache des Yopará gesungen.
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