Zunächst bildet Ursula Andkjær Olsens Interpretation des Volkslieds The Green Groves den lyrischen Ausgangspunkt für Peter Bruuns Version in rein instrumentaler Musik. Doch ging es dem studierten Philosophen und Kompositionsschüler von Per Nørgård aus Aarhus laut Trine Boje Mortensen nicht um eine Vertonung des Gedichts in der Folge seiner Verse, sondern darum, den Eindruck von der dramatischen märchenhaften Begebenheit und seiner Folgen in mediis rebus darzustellen. Dabei dient die anfängliche simple Melodie lediglich als Introduktion, auf welche die in Töne verwandelte Verstrickung eines Mädchens in die Welt ihres Alptraums substanziell nicht mehr zurückgreift.

Der Plot der thematisch vierteiligen Volksweise spiegelt die typische fatalistische Stimmung in den westlichen Gesellschaften zum Ende des so fortschrittsgläubigen 19. Jahrhunderts. Das Mädchen fällt im Wald in einen tiefen Schlaf. Im Traum verspricht ihr ein Vogel Reichtum und Ruhm, sollte sie bereit sein, ihr Erstgeborenes wegzugeben. Als sie von dem Tier verführt unwillkürlich „Ja“ flüstert, wacht sie auf und nimmt wahr, dass sie ihr Kind bereits verloren hat. Peter Bruun hat hier wie im Falle seines fünfstufigen Chorwerks Wind Walks (2004-2016) nach Lyrik von Gerard Manley Hopkins im Auftrag für eine bestimmte Formation komponiert: Das 2002 gegründete dänische Ensemble MidtVest setzte sich aus einem Streichquartett und einem Bläserquintett mit Pianistin zusammen; es widmete sich aber nicht nur der gegenwärtigen Musik mit ihren besonderen künstlerischen Anforderungen, sondern auch Alter Musik sowie dem Repertoire der klassischen und romantischen Periode.

Auch Big Bird and His Friends (2009) entstand auf eine Anregung aus dem Ensemble MidtVest, nämlich von seinem Cellisten. Jonathan Slaatto hatte nach einem Stück mit Solocello und den fünf Bläsern der Truppe gesucht. Bruun imaginierte den Auftraggeber mit einem gewissen Schmunzeln selbst als großen, fürsorglichen „gelben“ Vogel, der die kleinen Freunde unter seine großen Fittiche nimmt. Der dritte und abschließende Satz des Stücks greift den energischen Duktus des ersten auf, drückt aber eine eher verzweifelte Stimmung aus, da die melodischen Fragmente miteinander kämpfen, während sich das Cello aufbläht und seines Wegs geht. Dem Thema nach verwandt sind hingegen zwei weitere Werke, die auf der neuen CD The Green Groves (B01ICDQNZ2, da capo records 2016) von MidtVest präsentiert werden: Sowohl Pearls of Tears (2014) als auch The Black Waters (2012) greifen auf ein Perlenmotiv zurück, das von dem Komponisten und Ethnomusikologen Poul Rovsing Olsen inspiriert ist. Dieser hielt sich zu Studien über folkloristische Wurzeln in Bahrain auf. Die in arabischer Literatur geläufige Assoziation von Tränen mit Perlen führte Peter Bruuns zu Robert Schumanns Lied Perlentränentröpfchen zurück; nach eigenen Worten bildete dies möglicherweise den Anlass zu Pearls of Tears, doch ließ er sich vor allem durch die Klanglichkeit der arabischen Musik dazu anregen.

Neben dem melodischen Parameter sind es die repetitiven Elemente der Kompositionen auf der CD The Green Groves, die eine rhythmisch vorantreibende rastlose Atmosphäre erzeugen. Daneben fließen satte Klavierakkorde ein und gelegentlich erzeugt der Komponist eine jazznahe Stimmung. Das Ensemble zeichnet sich durch seine kräftige und insistierende Deutung der schwierigen Partituren aus.
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