Eine Zeitlang begleitete ein Wunderkind aus Porto den um die Mitte des 19. Jahrhunderts auf dem amerikanischen Kontinent populären kubanischen Geiger José White Lafitte. Bis dahin hatte er als Kammermusiker bereits mit etlichen anderen Instrumentalisten dieses Fachs aufgetreten, die einige Jahre älter waren als er selbst, nämlich mit dem belgischen Komponisten Henri Vieuxtemps und dem polnischen Virtuosen Henryk Wieniawski. Da es sich bei dem Pianisten Arthur Napoleão dos Santos um eine echte Ausnahmebegabung handelte, hatte er schon als Kind etliche Höfe Europas, an denen er auftrat, zum Beispiel London oder Paris, kennengelernt.

Damit dürfte für den erfahrenen Konzertmusiker der Schritt über den Atlantik kein allzu großer gewesen sein, zumal er seine Studienjahre in Paris und Manchester verbracht und schon als 15jähriger in New York vor großem Publikum gespielt hatte. So ließ er sich 1866 als Instrumenten- und Musikalienhändler in Rio de Janeiro nieder und gründete dort einen Musikverlag, der besondere Bedeutung für die Verbreitung brasilianischer Musik an sich gewann. Die Eindrücke von der Ankunft verarbeitete er in dem gefühlvollen Klavierstück Uma primeira impressão do Brasil. Das Engagement für die Musik seiner neuen Heimat führte letztlich 1883 zur Gründung der Sociedade de Concertos Classicos, in deren Programmen ebenso die europäische Musik eine wichtige Rolle spielte. Zudem profitierten viele von seinem Unterricht: Zu seinen Schülerinnen zählte auch Chiquinha Gonzaga. Sein vielfältiges Wirken führte Napoleão immer wieder an das Dirigentenpult.

Leider sind seine Werke gerade in der „Alten Welt“, aus der er selbst kam, heute im kulturellen Gedächtnis weitgehend verschollen: Neben einer nicht geringen Zahl an Orchesterkompositionen und Klaviermusik schuf er auch eine Oper und wenige Kunstlieder. Dabei widmete er sich wichtigen Stoff- und Motivkreisen seiner Zeit und rückte die Livemusik-Foren der Epoche wie den Tanzboden oder Sphäre der Soirées in den Mittelpunkt. Gelegentlich zeigte er einen gewissen Sinn für die Einbeziehung von folkloristischen Elementen.

Für Orchester und Banda schrieb Napoleão in Erinnerung an den portugiesischen Nationaldichter Camões, brillierte mit L’Africaine und einer Polonaise, zwei Stücken für Klavier und Orchester, vier Klavierkonzerten und komponierte die Nationalhymnen Espirito Santo und Acre sowie eine symphonische Ouvertüre für das große Symphonieorchester. Einen Sinn für das romantische Liebeslied bewies der Wahlbrasilianer mit Se Tu Me Amasses.
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