Ein Vermittler wiederentdeckter Folklore-Schätze: Charles Camilleri

Ein früher Erfolg des 1931 in Hamrun geborenen und 2009 verstorbenen Komponisten Charles Camilleri war seine Malta Suite, in der sich tänzerische mit folkloristischen Konzeptionen verbinden;  die vier Sätze schrieb er im Alter von 15 Jahren. Das launige, ganz in der Romantik verwurzelte Werk geht auf einen Urlaub auf Maltas Nachbarinsel Gozo zurück. Im Laufe der Zeit fanden in sein Schaffen afrikanische Rhythmen und indische Melodien Eingang und wurden mit lokalen Elementen verbunden, mit dem Ziel, die Gegensätze der so verschiedenen Musiksysteme durch eine „Atomisierung“ der Taktschläge aufzuheben, was expressionistische Freiheit innerhalb einer planvollen Ordnung ermöglichte.

Charles Camilleri: Orchestral Works (Diversion Records 809730412622)
Charles Camilleri: Orchestral Works (Diversion Records 809730412622)

Die traditionelle Anknüpfung an die Folklore seiner Heimat charakterisierte Camilleris Musik aber ein Leben lang. Nach der Milleniumswende gab er einem Konzept von  Universalität und Zeitlosigkeit breiten Raum, was die Klavierstücke der Celestial Harmonies zeigen.

Eine gewisse Prägnanz und Distinguiertheit in der Stimmengestaltung und -verteilung verhindert bei aller Historizität durchgehend das Abgleiten ins rein Zitathafte oder in bloße Gebrauchsmusik. Neben dem Tanz spielt auch der gravitätische Gestus wiederholt eine bestimmende Rolle, doch dank der orchestralen Farbigkeit weder mit einer Neigung zum steifen Militärmarsch noch zur pompösen Parade.

Im Großmeister-Menuett der auf alten Manuskripten beruhenden Ballettsuite Knights of Malta aus der Blütezeit des Malteser Johanniterordens in der frühen Neuzeit weist freilich die Betonung der dritten Zählzeit im Takt auf den ursprünglich repräsentativen Zweck des Fundes zurück.Geradezu programmatisch wird der Rückgriff auf die Tradition in der Overture Classique, die zum Teil an Prokofiews Versuch in diesem Genre erinnert, zum Teil aber auf romantische Bearbeitungen von Werken des Barock oder der Wiener Klassik verweist, ebenso auf Respighis symphonische Deutungen alter Meister.

Folkloristisches durchzieht auch den zweiten Satz des Concertino Nr. 4 für Klavier und Orchester, dessen muntere Ecksätze harmonisch wie in ihrer Satzstruktur sowohl auf den Beginn als auch auf das Ende des 19. Jahrhunderts verweisen und gelegentlich spätere Entwicklungen der Jahre 1910 bis 1930 streifen. Hinzugefügt sei über die auf der CD eingespielten Stücke, dass Camilleri auch Urheber religiöser Musik, zum Beispiel des Oratoriums Pawlu ta‘ Malta (Paulus auf Malta, 1985) war.

Besonders der Klarinette widmet der Komponist gerne Solopassagen, sowohl in der frühen Malta Suite als auch im Intermezzo der Oper Il-Weghda (1984). Weitere Bühnenwerke sind übrigens der maltesischen Geschichte gewidmet, etwa das Ballett The Great Siege of Malta oder die Oper The Maltese Cross (1985). Camilleri lässt sich damit nicht nur als patriotischer Künstler, sondern auch als Vertreter der nationalromantischen Schulen Europas, wenn auch mit einer Verzögerung ins 20. Jahrhundert hinein begreifen.

Das Bournemouth Symphony Orchestra unter Brian Schembri und zusammen mit dem bekannten maltesischen Klarinettisten Godfrey Mifsud präsentiert die singulären orchestralen Blumen, deren Expressivität ihn nicht selten mit den Spaniern Manuel de Falla und Joaquín Rodrigo  verbindet, mit der nötigen tänzerischen Verve und insbesondere die langsamen Sätze leidenschaftlich, aber ohne übertriebenes Pathos.

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