Meisterhafte Instrumentation

Das Kammerorchester Estro Armonico bezieht sich äußerlich auf einen Werkzyklus von Antonio Vivaldi zurück, will aber genau das sein, was der Name bedeutet, nämlich „harmonische Inspiration“. Das Orchester wurde Anfang der 1990er Jahre in Luxemburg begründet und erfuhr unter Leitung seines Konzertmeisters Guy Goethals bald Anerkennung durch ein breites Publikum. Es verfügt über 45 Musiker und arbeitet bis heute mit namhaften Dirigenten wie etwa Jaap Schröder oder Jonathan Kaell zusammen. Letzterer legte vor ziemlich genau zehn Jahren eine Aufnahme mit ausgewählten Werken der Luxemburger Komponistin Lou Koster vor.

In Luxemburg op de Plëss: Sommerkonzert des Kammerorchesters Estro Armonico (Jwh, 26.6.2013, CC-Liz.)
Lou Koster (1889-1973) fühlte sich schon früh zur Komponistin berufen. (Detail Cover-Ill. Naxos 8.573330)

Diese arbeitete unter anderem gerne der gehobenen orchestralen Unterhaltungsmusik zu, wie etliche Walzer, Märsche und Ouvertüren aus ihrem Repertoire belegen. Da Marie-Louise Kosters ursprüngliche Profession das Klavierspiel (neben dem der Violine) war, könnte sie ihre meisterhaft instrumentierten Orchestersätze zunächst als selbständige Klavierwerke für das Kaffeehaus oder das Stummfilmkino, wo sie oft auftrat, konzipiert und die Partituren daraus später erarbeitet haben; jedenfalls zeugen diese allesamt von einer hohen Kunst der Instrumentierung. Ihr Verständnis für die Erzeugung von Klangfarben scheint dabei besonders ausgeprägt gewesen zu sein, wobei sie Holzbläser auch in solistischer Rolle und kammermusikalisch einsetzte. Exuberant ausgearbeitete Orchestrierung war ihr dabei fremd; ihre Behandlung des romantischen Symphonieorchesters zeichnete sich bei aller anmutigen und schwungvollen Melodik als besonderem Kennzeichen eher durch das Streben nach klanglicher Ausgewogenheit aus. Dabei setzte sie auch Effekte einer fein abgestuften Dynamik ein, die keine überbordenden Höhen und Tiefen kannte. Ihre Instrumentierung war nicht raffiniert, sondern diente immer dem Primat des emotionalen Ausdrucks, ohne sie in spätromantische Abgründigkeiten oder schwindelnde Höhen geraten zu lassen.

Dem Andenken an eine bedeutende Luxemburgerin des 20, Jahrhunderts gewidmet (Bdx, 8.10.2017, CC-Liz.)

Koster fühlte sich von Jugend an zur Komponistin berufen, erhielt allerdings ihre erste praktische Ausbildung durch ihren Großvater, der zuvor als Kapellmeister der Luxemburgischen Militärmusik fungiert hatte. Später studierte sie an dem neu begründeten Luxemburger Konservatorium Violine und Klavier und wurde für die Ausübung beider Instrumente bereits neunzehnjährig Lehrbeauftragte; bis zu ihrem 65. Geburtstag sollte sie dieser Hochschule als Musikpädagogin treu bleiben; anschließend verlegte sie sich ganz auf das Komponieren.

Den Facettenreichtum ihres Schaffens für Orchester bildet eindrucksvoll Jonathan Kaells Aufnahme einmal der Ouverture légère und der Suite dramatique, vor allem aber der Walzer-Suiten Lore-Lore und Heideland, Unter blühenden Linden, Moselträume und Toute vie mit dem Kammerorchester Estro Armonico ab, in denen literarische Vorlagen eine Rolle spielen. Schließlich vertonte sie für Orchester auch Lieder nach Gedichten und anderen Texten von Paul Verlaine, Theodor Storm, Gottfried Keller, Willy Goergen oder Nik Welter, um nur wenige zu nennen. Dirigent Jonathan Kaell weist besonders auf die Unverkennbarkeit ihres Stils hin, auch wenn sie einer um die Wende zum 20. Jahrhundert und in den 1920er Jahren konventionellen und in Europa weithin populären Form wie dem Walzer gefolgt sein mag.