Die frühe Allroundkünstlerin

Das Wunderkind im Walzerland: Der Vater war Komponist, die Mutter nähte in gehobener Stellung für den Wiener Hof. Sie selbst galt schon sechsjährig als Wunderkind am Klavier und trat in Folge in sehr jungen Jahren immer wieder als Konzertpianistin auf. Ihre Eltern beförderten sehr ehrgeizig ihre Karriere und so sollte sie auch bald komponieren und schauspielerisch in Aktion treten. Dennoch nahm sie, noch Schülerin, kein festes Engagement an, sondern trat nur akzidentiell als Gastdarstellerin auf.

Schon als Sechsjährige trat sie als Wiener Klavierwunderkind auf: Constanze Geiger (Piano Salou, Ridgg, 2022, CC-Liz.)
Constanze Geiger (1835-1890) wurde als Wunderkind am Klavier erzogen und ausgebildet und war es auch; sie komponierte bereits mit sechs Jahren für die Öffentlichkeit. (Lithograhie von Gabriel Decker, 1849, Foto: Peter Geymayer, A p.d.)

Fünfundzwanzigjährig wurde Constanze Geiger Tochter eines Sohnes, der Vater war kein anderer als Prinz Leopold von Sachsen und Coburg-Gotha. Mit ihrem Eintritt in die Welt des Adels, den sie dem Grad ihrer Bekanntheit in den „höheren Kreisen“ zu verdanken hatte, wurde sie in den Rang einer Freifrau von Ruttenstein versetzt; es handelte sich dabei um ein Anwesen, das sich in der Nähe des oberösterreichischen Grein im Besitz des Hauses Coburg befand.

Von der aristokratischen Heirat an wandte sie sich von der Bühne ab, hörte aber offenkundig nicht auf zu komponieren; zwei Werke aus den Jahren um 1870 liegen vor, auch wenn sie als Tonkünstlerin im Kind- und Jugendalter bis zu ihrer Hochzeit 1860 erheblich mehr zu Papier gebracht hatte. Sie widmete sich vielmehr der Vermittlung zwischen den Adelshäusern und kümmerte sich um Auszeichnungen für die Strauss-Dynastie. Der Neffe ihres Mannes war König von Portugal und sie erreichte es, dass die Strauss-Brüder ihm einige ihrer Walzer widmen durften. In späteren Jahren zog sie nach Paris.

Visitenkarte der Familie: Prinz Leopold von Sachsen-Coburg-Gotha mit seiner Gattin Constanze Freifrau von Ruttenstein und ihrem Nachfolger Baron Franz (ca. 1865, Foto von Ludwig Angerer, ca. 1865, A/US p.d.)

Obwohl sie im Sinne dessen, was man von ihr als geadelter Bürgerin erwartete, ihr eigentliches Metier nahezu aufgegeben hatte, gerieten zumal ihre kirchlichen und kammermusikalischen Werke aber keineswegs in Vergessenheit. In erster Linie zwischen 1841 und 1860 hatte sie reichlich Tanzmusik komponiert, neben sechs Polkas und dreizehn Walzern übrigens auch acht Märsche, darüber hinaus zahlreiche Klavierstücke, die sie zu einem größeren Teil wohl selbst aufgeführt haben dürfte, sieben Lieder und drei geistliche Werke, unter diesen ein Ave Maria der Zehnjährigen.

Das Wiener Neujahrskonzert 2025 mit Riccardo Muti am Pult (ASIN: B0DP1LD4S5, Sony Classical) ist bereits als CD-Live-Aufnahme erschienen.

Die Kritik nahm ihre Bemühungen, sich als Komponistin zu etablieren, zwiespältig auf; sie wurde verunglimpft, da sie keine Symphonie oder Oper verfasste und die Berliner Presse fand es merkwürdig, dass sie als Frau Militärmusik schrieb. Im 20. Jahrhundert wurde Constanze Geiger fast gänzlich vergessen. Eine Wiederbelebung des Interesses für ihr den zeitgenössischen männlichen Tonkünstlern absolut ebenbürtiges Talent zeichnet sich in diesem Jahr ab, da das Wiener Neujahrskonzert 2025 mit Geigers Ferdinandus-Walzer eröffnet wurde. Es liegt sozusagen in der Luft, dass bald eine CD-Aufnahme mit mehreren ihrer Werke vorliegen wird.

Literatur u.a.

Gerlinde Haas: Un instant de bonheur. In: Studien zur Musikwissenschaft, Bd. 43. 1994. S. 341 – 354.

Raimund Lissy: „Es liegt ein eigener Zauber in diesem Wunderkinde!“. Wien
2024.


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