Zu drei britischen Komponistinnen des 20. Jahrhunderts, die „zwischen den Stühlen“ des teils noch spätromantisch geprägten Expressionismus und der Postmoderne ihren Platz suchten, ist anzumerken, dass sie aus kontinentaler Perspektive nach ersten Erfolgen kaum mehr wahrgenommen wurden. Dabei gilt etwa Elizabeth Maconchy (1907 – 1994) nicht nur in Europa, sondern weit über den Kontinent hinaus als Meisterin des Streichquartetts, wiewohl sie ebenso mit Orchesterwerken wie der Suite The Land früh ins Rampenlicht rückte und Concertini für Fagott, Klarinette oder Klavier inklusive Streichern oder kleinem Orchester schrieb und mit ihrer Ouvertüre Proud Thames über die Themse einen renommierten Londoner Wettbewerb gewann.


Mit ihren Three Preludes von 1970 schließt Maconchy LeFanu erkennbar an serialistische Modelle an, in deren Kompositionsregeln die Wiederholung von Tönen in einer Reihe untersagt war, dafür aber die Reihe in umgekehrter Richtung oder gespiegelt erklingen konnte. Scheinbar aleatorisch purzeln die Töne durcheinander, Akkorde brechen gelegentlich massiv über den Zuhörer herein, lassen aufschrecken. Trotz der teils bitonalen Strukturen werden Mikromotive in verschiedenen Lagen repetiert, doch dominiert selbst innerhalb jedes Prelude die Abwechslung zwischen elegischen Momenten und länger ausgekosteten Phrasen. Im ersten Satz wird im Übrigen dem Interpreten die freie Wahl des Tempos überlassen.
Von ganz anderer Bauart ist die nicht zu datierende Violinsonate d-Moll der belgischen Tonsetzerin Irene Regine Wieniawska (1880 – 1932), die ihre Identität hinter dem Künstlernamen Poldowski verbarg. Munter sprudeln nach einem teils elegischen, dennoch aber melodisch schönen und rhythmisch prägnant dahinfließenden Andante languido nacheinander Scherzo und Vivace, bevor das Tempo im letzten und ausladend langen Satz noch einmal deutlich anzieht, unterbrochen von klagenden Reminiszenzen an eines der beiden Themen des anfänglichen Andantes. Die Komponistin war die Tochter des polnischen Violinvirtuosen Henryk Wieniawski, wuchs aber in Brüssel auf, wo sie zunächst Komponieren und Klavier studierte, dann aber zur Erweiterung ihrer Fertigkeiten nach London zu Percy Pitt wechselte und schließlich zu André Gédalge nach Paris. Ihre Werke sind zwar weniger zahlreich als diejenigen von Elizabeth Maconchy, aber höchst individuell und durchformt angelegt.

Die mehr als eine Generation jüngere Phyllis Tate (1911 – 1987), die von ihrer späteren Kollegin Dame Ethel Smyth ehrend als wahre weibliche Musikschaffende genannt wurde, erlernte an der Royal Academy of Music Komposition, Klavier und Dirigieren. Ihre umfängliche Produktion von Chormusik stellt scheinbar die übrigen Werke, weitere Vokalmusik, höchst heterogene Kammermusik, wenige Klavierstücke und Orchestermusik in den Schatten, doch ist vieles nicht erhalten, weil sie ihre vor dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Werke fast alle eigenhändig vernichtete. Wohl aus finanzieller Gelegenheit schrieb sie auch leichte unterhaltende Musik und Arrangements sowie ziemlich zu Beginn ebenso eine Operette, wobei sie sich als „Max Morell“ oder „Janos“ ausgab. In ihren späten Schaffensjahren komponierte sie fast ausschließlich für heranwachsende Musiker. Von spielerischem Einfallsreichtum ebenso wie gedanklicher Tiefe zeugt ihr Triptych für Violine und Klavier aus dem Jahr 1954, bestehend aus einem .“gefälligen“ Allegretto, einem Scherzo und einem langsamen „Selbstgespräch“.
Referenzaufnahme: British Women Composers. Naxos Int. 2010. (7-47313-22917-8). Clare Howick, Violine; Sophia Rahman, Klavier.
Literatur:
Antje Olivier, Sevgi Braun: Komponistinnen aus 800 Jahren. Köln 1996.