Drei Epochen – drei Opernstile

Abendmesse des portugiesischen Komponisten de Sousa Carvalho (Astrée ASIN: B000024JRM)
Titelseite des Librettos zu de Sousa Carvalhos Oper ‚L’Endimione‘, gewidmet der brasilianischen Prinzessin Francesca Benedetta (Lissabon 1783, P p.d.)

Im 18. Jahrhundert war es in Portugal nicht nur möglich, sondern geradezu üblich, dass die Verantwortung für ein Musikstudium im Schoß der Kirche lag und diese für den Unterricht zuständig war. João de Sousa Carvalho besuchte zunächst das Colegio dos Sántos Reis in Vila Viçosa, nahm sein Studium zum Musiker und (späteren) Komponisten regelrecht aber am Conservatório di Sant‘ Onofrio a Porta Capuana in Neapel auf, das sich bekanntlich in Europa wegen seiner Stil- und Theaterinnovationen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen Namen gemacht hatte. Dies war möglich geworden, da er 1761 einen Ruf seines nur um zwei Jahre älteren Landsmannes und Hochschullehrers Jerónimo Francisco de Lima von dort erhalten hatte.

Gerade mit 21 volljährig konnte er bereits sein erstes eigenes Opernprojekt auf der Basis von Metastasios Libretto La Nitteti (1766) abschließen. An den Ufern des Nils liegt Kanopus, eine ägyptische Stadt, in der Nitteti, die verschwundene Tochter des ägyptischen Königs Apries, wieder auftaucht. Sein Freund, der Hauptmann Amasis, war einst zur Niederschlagung eines Aufstands in einigen Provinzen des Reichs von eigenen Soldaten dank seiner Persönlichkeit zum König gewählt worden. Als Nitteti wiedergefunden ist, soll auf Weisung Aprios Nitteti mit Amasis‘ Sohn Sammete verheiratet werden. Doch bevor noch die Hochzeit vonstatten gehen kann, stirbt Apries in Amasis‘ Armen.

Ein von vielen Komponisten vertontes Libretto Metastasios auf der Basis eines ägyptischen Stoffs nach Herodot und Diodor von Sizilien ist ‚La Nitteti‘. Er wurde von Nicola Conforti 1756 erstmals in Musik auf die Bühne gebracht (Illustration 2. Akt, 11. Szene, 1781 in einer späteren Ausgabe von Metastasios Libretto, IT. p.d.)
Einspielung der Oper (‚Serenata) ‚L’Angelica‘ mit dem Concerto Campestre und dem Dirigenten Pedro Castro aus dem Jahr 2016 (Naxos, ASIN: B01C5PTUNK)

Die Uraufführung in Rom muss sehr erfolgreich gewesen sein und schon ein Jahr später, 1767, wurde der eifrige Instrumentalist, Wissenschaftler und Komponist, in Lissabon zum Musiklehrer des portugiesischen Kronprinzen, Professor für Kontrapunkt an der Bruderschaft der Heiligen Cecilia ernannt. In der Folge schuf der frisch gekürte Hofkomponist etliche Opern, unter anderem L’amore industrioso (1769), Testoride Argonauta (1780), L’Endimione (1783), zuerst aufgeführt im Palacio de Queluz in Lissabon, oder Alcione (1787). Der Kirche blieb de Sousa Carvalho durch seine geistlichen Werke fortlaufend verbunden, es entstanden Hymnen, Arien, Psalmvertonungen, ein Oratorium, eine Kantate und eine Motette, mehrere Messen wie die Vesperas de Nossa Senhora, ein Fiat Misericordia und ein heute noch sehr bekanntes, in dramatischem Glanz erscheinendes Te Deum, das bereits dem klassischen Stil vollkommen verpflichtet ist. Der Serenata mit Gesang als Kleinform zur Oper, ähnlich dem Singspiel, arbeitete er mit L’Angelica (1778) und Perseo (1788) zu. Als biographisches Detail späterer Jahre sei erwähnt, dass de Sousa Carvalho sich durch seine Einheirat in eine reiche Familie im Jahr 1783 zwei staatliche Güter im Alentejo und an der Algarve leisten konnte.

Dass der eifrige Komponist von Auftragswerken darüber hinaus auch Orgel- und Cembalomusik schuf, ist wenigstens heutigen Schülern an Tasteninstrumenten durchaus vertraut; seine Toccata g-Moll, ein zum Stil der Empfindsamkeit in der vorklassischen Periode noch passendes farbenreiches Bravourstück wechselnder Rhythmusklangfarben, erfreut sich ebenso bei Virtuosen wie Susanne Skym einiger Beliebtheit.