Quetschkom(-)Moden

Am 6. Mai 1829 ließ sich der Wiener Cyrill Demian auf der Basis von Häckels acht Jahre älterer Handaeoline das erste Akkordeon patentieren, dessen klangliche Vorläufer noch dem Harmonium ähnlich waren; was er damals noch nicht ahnte, war, dass das Handzuginstrument mit den sensationell neuen voreingestellten Akkorden auf der Seite der linken Hand vor allem in folkloristischer Musik Karriere machen würde …

Das (nicht-diatonische) Akkordeon mit Klaviertastatur rechts des berühmten Jazz- und Avantgarde-Komponisten Henry Doktorski (1990, henrydoktorski, CC-Liz.)

Seine praktische Handhabbarkeit mit unterschiedlichen Funktionen links und rechts, darin vergleichbar wohl nur mit der der schon im Mittelalter gebrauchten Drehleier, schuf die Voraussetzung für eine rasche weltweite Verbreitung des Akkordeons. Virtuos im Sinne eines Ersatzes für ein ganzes Orchester war es wegen seiner Kombination aus konventioneller Klaviertastatur und den durchschlagenden Zungen, um volle Harmonien auf einen einzigen Knopfdruck zu erzeugen; demgegenüber verfügt das 1834 entwickelte Bandoneon „lediglich“ über eine beidseitige Knopftastatur, fand aber ebenso schnell Verwendung in allen möglichen Genres popularer Musik, die häufig keine Notation benötigte.

Seit dem Meilenstein-Konzert von Mogens Ellegaard 1958 hat das Akkordeonkonzert als Unterart des solistischen Konzerts seinen festen Platz im dänischen Repertoire … wie die Beispiele auf der CD demonstrieren (Dacapo Records 2012, ASIN: B007C7FE5U).

Zum ersten Mal solistisch mit vollem Orchester im Rücken rückt das Akkordeon auch in „ernster“ Musik in den Vordergrund des Interesses und füllt so ganze Säle, freilich mit erstaunlicher Verspätung, da es wegen seines hohen folkloristischen Nutzwerts nur mit Mühe den Sprung an Musikhochschulen und in die symphonische Literatur schaffte. Den Anfang machte der Russe Feodosiy Rubtsov 1937 mit seinem Akkordeonkonzert für die Leningrader Philharmoniker.

Besondere Aufmerksamkeit zog der dänische Musiker Mogens Ellegaard, dessen Symphonic Fantasy and Allegro 1958 einen durchschlagenden Erfolg für das neuartige solistische Konzert verbuchen konnte, auf sich. Auch der eher den Pfad intellektueller Experimente einschlagende Per Nørgård trug, wohl fasziniert vom kontrastiven Klang zu den Streichern und Bläsern 1968 zum Genre bei.

Sofia Gubaidulina, hier 1981 in Sortavala, komponierte ihr Tripelkonzert für Violine, Violoncello, Bajan (-Akkordeon) und Orchester 2017; es wurde im selben Jahr in Boston uraufgeführt (Dmitri N. Smirnov, Juli 1981, GNU Free Doc. Lic.).

In den USA stellten sich im darauffolgenden Jahrzehnt der Studentenbewegungen gleich drei prominente Komponisten der künstlerischen Herausforderung, Henry Cowell, Roy Harris und der häufig auf armenische Musik rekurrierende Alan Hovhaness (1911 – 2000). Sofia Gubaidulina, Gija Kantscheli und Jukka Tiensuu seien als nur drei der vielen Repräsentanten neuerer und neuester Beiträge genannt. Das Akkordeon als Solist im Symphonieorchester ist somit weiterhin im Trend … ohne absehbares Verfallsdatum.

Literatur u.a.

Jacomucci, C. (Hg.): Critical selection of accordion works composed between 1990 and 2010. Loreto 2014.

 


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