Im Jahr 1995 bekam die Universität von Aveiro, malerisch und fast exakt in der Mitte zwischen Porto und Coimbra gelegen, begehrten Nachwuchs: Isabel Soveral, die schon in den 1980er Jahren zu einer bedeutenden Gruppierung junger portugiesischer Komponist(inn)en zählte, agiert seitdem dort als Expertin für Komposition, Musiktheorie und -analyse. Neben Constança Capdeville, Sara Carvalho, Petra Oliveira Bachratá und der älteren Clotilde Rosa gehört sie zu den eher raren kreativen Frauen Portugals auf dem Gebiet klassisch basierter Kunstmusik seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Wesentliche Anregungen empfing sie durch das sich vor etwas mehr als dreißig Jahren anbahnende Experimentierfeld zwischen analoger instrumentaler Musik und Tonband, das in der gesamten westlichen Welt häufig mit der Anwendung von Aleatorik einherging. Im Rahmen dieser progressiven Kunstrichtung der 1980er Jahre entstand just im Jahr des Antritts der Professur in Aveiro ihr avanciertes Stück Anamorphoses III für Violine und elektroakustische Tonquelle. Der 1993 begonnene Zyklus setzte sich bis 2019 bis Anamorphoses VIII, einem Auftragswerk des DuoContracello, fort, das Violoncello und Kontrabass mit elektronischem und visuellem Medium verbindet und zum synästhetischen Kunstwerk aufstrebt. Die Titelgebung des Zyklus orientiert sich an dem Phänomen, das bestimmte Bilder nur aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet sichtbar werden; hier wird das optische Phänomen intermedial auf ein akustisches übertragen.

Innerhalb dieses Zeitraums entstand von 1999 bis 2003 ein kleinerer Zyklus unter dem Motto Mémoires d’Automne, zu dem Image I für Solo-Marimba gehört. Soveral, die im übrigen bei zwei wichtigen portugiesischen Komponisten der Vorgängergeneration, Jorge Peixinho und Joly Braga Santos, dem Begründer des Lehrstuhls für musikalische Analyse in Lissabon und Leiter des Symphonieorchesters in Porto, studiert hatte, bewegte sich bisher meist auf der Linie zwischen Elektroakustik und dem Einsatz traditioneller Klangerzeuger weiter.

Nach Since Brass nor stone… (2007) für Sopran und elektronische Klangquelle widmete sie sich intensiver dem Zusammenspiel zwischen menschlicher Stimme und audiovisueller Performance: Unter anderem entwickelte sie daraus Kingdom of the Shore (2012). Eine Ausnahme bildet das rein instrumentale, für sechs Perkussionisten geschriebene O Dragão Watatsumi (2015) als Auftragswerk der Schlagwerkgruppe DGartes.