Hier darf einmal einer in der nordwestliche Hemisphäre verbreiteten Forschungsmeinung widersprochen werden, die portugiesische Komponisten des 17. Jahrhunderts (die hauptsächlich der Kirche zugearbeitet haben) in die Polyphonie der Spätrenaissance einsortiert.

Tatsächlich ist man auf lusophoner Seite mit solchen Zuschreibungen vorsichtiger: So wird Diogo Dias Melgás‘ Musik als „polyphon“ gekennzeichnet, die weder ganz im 16. Jahrhundert wurzelt noch eindeutig als barock im Sinne italienischer Satzkunst und Stilistik der folgenden Ära zu beschreiben ist. Dadurch wird der auch von spanischer (kirchlicher) Musik zu unterscheidende portugiesische – und im übrigen kolonial-brasilianische – Kunst in ihrer Eigenart Rechnung getragen und diese nicht mit dem Etikett eines um viele Jahrzehnte verspäteten Aufschließens zum sogenannten Barock Italiens und Mitteleuropas versehen.

Melgas‘ Stil in den wenigen erhaltenen Werken wie einer (von zwei nachgewiesenen) Missa Ferial lässt sich ebenso als kontrapunktisch in der Tradition südeuropäischer Renaissancepolyphonie bestimmen wie sie durch melodische Leitgedanken, geprägt von den in der Kirche üblichen Psalmodien und Kanzonen, gekennzeichnet ist. An der Kathedrale von Évora wirkte er zunächst, bereits als Achtjähriger, als Sängerknabe und wurde von dem namhaften Manuel Rebelo in Komposition unterwiesen. Er blieb Évora zeit seines Lebens treu und war dort über 30 Jahre in der Rolle des Kapellmeisters tätig, starb jedoch als Zweiundsechzigjähriger erblindet und in Armut.

Bessere Startchancen hatte ein anderer großer portugiesischer Kirchenmusiker, João Lourenço Rebelo, der vierzehnjährig in den Dienst von Theodosius II., Herzog von Bragança, kam und dies als Karrieresprungbrett nach Vila Viçosa nutzen konnte, um als Kapellmeister weiterzuarbeiten und zahlreiche Lamentationes und Vesper-Psalmen zu komponieren. Sein erster Dienstherr Theodosius wurde später unter dem Namen Dom João IV König von Portugal. Rebelo zeichnete sich durch seine Weiterpflege mehrchöriger Kompositionen aus.

Was von Diogo Dias Melgás‘ Originalwerk identifiziert werden konnte, liegt in den Archiven der Kathedralen von Évora und Lissabon. Den Hauptteil seines Schaffens machten Graduale und Motetten aus, ein einzelnes Salve Regina ist überliefert und auch in moderner Notenedition mit einzelnen Stimmpartien zugänglich; hinzu kommt ein Triptychon aus drei Passionsmusiken kommt hinzu, außerdem vier Villancicos.
Diogo Dias Melgás: