Flöte mit Gesang – ein Konzertleben lang

In der Popmusik mag es öfter vorkommen, dass ein begabter Flötist gleichermaßen als Komponist wirksam ist, im Bereich der „ernsten“ Muse kann es hingegen als große Seltenheit gelten: Der 1861 westlich von Melbourne, in der Stadt Ballarat geborene Australier John Lemmoné, nicht zu verwechseln mit einem amerikanischen Filmkomiker ähnlichen Namens, erfüllte über etliche Dekaden hinweg die Ansprüche beider Professionen. Mit dreizehn Jahren bereits wurde er Flötist in einer italienischen Opernkompanie Melbournes, wohin sein griechischer Vater nebst britischer Ehefrau und Familie umgezogen war. Bald trat er auch im Theatre Royal Orchestra von Adelaide auf, bevor er bei einem Benefizkonzert im Jahr 1884 für den Komponisten Carl Gottlieb Elsässer die spätere gefeierte, unter anderem in Paris ausgebildete Koloratursopranistin Nellie Melba kennenlernte, durch die sein künstlerisches Leben eine deutliche Wendung nahm.

Der Komponist mit seiner Muse beruflicherseits: John Lemmone (1861 – 1949) und die Sängerin Nellie Melba am 23. September 1914 (Coll. Allen family, Mitchell Library New South Wales, Aus/US p.d.)

Nellie Melba war aber nur eine von drei Sopranistinnen, mit denen Lemmoné in Zukunft längerfristig auftreten und Erfolge feiern sollte. Ungewöhnlich aus europäischer Sicht, aber naheliegend von australischer Warte war es, dass er auf seinen Konzertreisen mit der Sopranistin Amy Sherwin außer dem eigenen Mutterland insonderheit Asien bedachte. Die um sechs Jahre ältere Sängerin begleitete ihn im Jahr 1896 schließlich auch auf einer Tournee durch Südafrika. Internationalität und Gewandtheit zwischen den Kontinenten wurden geradezu zum Markenzeichen des komponierenden Flötisten, womit er – mit einem Fuß noch in der spätromantischen Sphäre des 19. Jahrhunderts – für kommende Generationen von Musikern seiner Heimat ein Vorbild abgab; heute profitiert das Land in Sachen Musik von seiner besonderen Offenheit für Innovationen und Stilpluralismus. Prinzipiell weltweite Auftritte folgten nicht nur mit namhaften Damen, sondern auch männlichen Sängern wie Allen James Fowley und Charles Santley, zudem mit dem Geiger Pablo de Sarasate. Auf Vokalpartner schien er jedenfalls abonniert: Nellie Melba vermittelte ihm in London durch ihre Abendgesellschaften dort weitere Kontakte. In der Royal Albert Hall konzertierte er etwa mit der spanisch-italienischen Koloratursopranistin Adelina Patti, die vor allem für ihre Rolle in Verdis La traviata Ruhm erntete.

Mit Bellinis, Rossinis und Verdis Opern in Europa erfolgreich: die Sängerin Adelina Patti, die in London einige Konzerte mit John Lemmoné gab (Gemälde 1863 von Franz Xaver Winterhalter, A p.d.)

Freilich blieb der im weltweiten Rampenlicht stehende Musiker den Dank an seine langjährige Förderin Nellie Melba nicht schuldig. Während er zurückgekehrt nach Australien als Konzertmanager fungierte, organisierte er die Australientournee der Sopranistin, nachdem er bereits die Karrieren der Sängerin Marie Narelle und des Pianisten Mark Hambourg auf dem Inselkontinent vorangetrieben hatte. Der Einsatz für Melba setzte sich damit fort, dass er weitere Sänger für ihre australischen Auftritte mit der Comic Opera Company von James Cassius Williamson rekrutierte. Noch 1938 blies er für den australischen Rundfunk die Flöte.

Paul Curtis, Flöte und David Miller, Klavier spielen Werke von John Lemmoné (101 Distribution 1995, ASIN: B01KAOAGRM).

Neben einem solchen ebenso illustren wie emsigen Arbeitsleben blieb wohl nicht allzu viel Raum für das Komponieren. Dennoch trug Lemmoné etliches zum impressionistischen Repertoire bei. Unter anderem liegen als Aufnahmen heute sein Valse de concert für Flöte mit Klavierbegleitung, die „Caprice“ Dainty Dance, eine Fantasie caprice und 40 technisch anspruchsvolle Solostücke für sein Instrument vor.

John Lemmoné selbst zu hören …