An den Rand Europas wurde im Zweiten Weltkrieg und zur Zeit der sowjetischen Satellitenstaaten auch die Musik Mieczysław Weinbergs verdrängt; die mangelnde Beachtung seines Werks damals, das derzeit eine Renaissance erfährt, hat analog hierzu mit der kulturpolitischen Ausklammerung seiner ästhetischen Ausrichtung zu tun; Negierung und Diktat machten ihm in ähnlicher Weise das künstlerische Dasein schwer wie seinem Unterstützer Dmitry Schostakowitsch.

Nur knapp rettete sich der 1919 in Warschau geborene spätere Pianist vor dem Holocaust und trat im Jahr des Überfalls Deutschlands auf Polen seine erzwungene Odyssee zunächst nach Minsk und über Taschkent schließlich nach Moskau an, wo er sich erneut Repressalien ausgesetzt sehen musste. Nicht wenig erratisch und suchend wirkt bereits seine 2. Symphonie, in der 21., den Opfern des Warschauer Ghettos gewidmet, wird es dem Dirigenten wie den Musikern schwer, die sinnstiftende Klammer zu halten, da nur ein bis zwei solistische Stimmen den Fortgang ermöglichen. Dem City of Birmingham Orchestra unter der Leitung der Litauerin Mirga Gražinytė-Tyla gelingt der schwierige Akt jedoch in subtiler Weise.

Einen völligen, exkludierenden Kontrast hierzu stellt eine weitere Neueinspielung, nämlich von Klavierwerken Fini Henriques‘, der Lebenszeit nach zwischen Bruckner und Bantock stehend, dar. Anders als bei diesen, mit großer Leichtigkeit – und gleichzeitiger Beseeltheit – fließen die Stücke des einstigen Wunderkinds und Kopenhagener Stargeigers dahin. In Teilen verspielt und von Lebensfreude überquirlend spiegeln sich in der Auswahl der herausragenden dänischen Pianistin Christina Bjørkøe die menschlichen Lebensstufen: Vom „Bilderbuch“ (Billedbogen) für Kinder schreitet sie deutlich akzentuierend in der Diktion fort zu Aspekten des Erwachsenenlebens, die durch den Zyklus Melodiske profiler oder Silhouetten in tiefsinniger und dennoch empfindsamer Form abgerundet werden. Einer der Titel, Papillon, verrät auch etwas über die federleicht schwebende, für Henriques so typische Gedankenwelt, die dieser häufig verträumten Musik eignet. Claus Røllum-Larsen verweist auf die besondere Fähigkeit des Komponisten zur Charakterstudie, die ihn sicherlich mit dem wenigstens eine Gerneration älteren Robert Schumann verbindet.

Der viel zu früh durch die Kugel eines Jägers zufällig ums Leben gekommene Finne Toivo Kuula (1883 – 1918), ein Zeitgenosse Henriques‘, stand sowohl unter dem Enfluss seines Landsmanns Jean Sibelius als auch Gabriel Faurés. Dementsprechend klingt in seiner Symphonik etwa vieles sowohl nach französischem als auch finnischem Impressionismus. Dabei machen die für Orchester geschriebenen Werke nur einen Teil seines vielseitigen Oeuvres, unter dem die Violinsonaten ebenso wie die Chorlieder herausragen, aus. In der Aufnahme mit dem Philharmonischen Orchester Turku und dem Dirigenten Leif Segerstam erklingen außer den beiden Südostrobotnischen Suiten auch ein Festmarsch sowie Präludium und Fuge, die auf Kuulas intensive Beschäftigung mit der barocken Literatur für Tasteninstrumente hinweisen.