Aus europäischer Perspektive scheint es auf den ersten Blick nicht ungewöhnlich, wenn eine etablierte Musikpädagogin dem Repertoire für Perkussion einen größeren Teil ihrer Aufmerksamkeit schenkt, denn die zahlreichen Schlagidiophone aus dem Orff-Fundus gehören (nicht nur) auf unserem Kontinent seit langem zur Ausstattung von Grundschulen und Kindergärten.

Unkonventionell ist nur, dass die im neuseeländischen Christchurch aufgewachsene spätere Komponistin Annea Lockwood neben diesem Schwerpunkt ihres Schaffens seit der Frühphase der Entwicklung der Genres ihren Fokus mindestens noch auf zwei weitere richtete, nämlich auf den im avantgardistischen Sinn alternativen Einsatz des Klaviers und das Thema Klanginstallation mit Hilfe elektronischer Medien.
Spätestens, als sie nach Studien an der Universität von Canterbury, am Londoner Royal College of Music, bei den Darmstädter Ferienkursen und längeren Aufenthalten in Europa dem Kollegium des Hunter College der New Yorker City University beigetreten war, begann sich Annea Lockwood ebenso zeitgenössischen wie auch bislang wenig und unbestellten Feldern musikalischer Kreativität zu widmen.

Sie legte in den 1980er Jahren eine akustische Karte für den Hudson River an, setzte Schlagwerk in Verbindung mit der menschlichen Stimme ein: 1987 in Saouah! für gemischten Chor und vier Gongs oder kammermusikalisch in Amazonia Dreaming für Trommel und Stimme. Sie unterlegte die vom australischen Didgeridoo und ursprünglich wohl nur als Signalhörner und zu religiösen Zwecken gebrauchten Muscheltrompeten mitgetragene Komposition Thousand Year Dreaming (1990) mit einer epochenumspannenden Diaprojektion. Über die Spielgewohnheiten am Klavier ging sie hierin John Cage folgend weit hinaus, indem sie es nicht nur der Präparation, sondern auch den Elementen Feuer und Wasser aussetzte.

Schon in den 1970er Jahren hatte Lockwood vielfach mit elektroakustischem Equipment und Vokalstimmen experimentiert, unter anderem in Spirit Catchers für vier Sprecher, Onjekte und 4-Kanal-Verstärker. Noch 2010 galt ihre Aufmerksamkeit dem im Rahmen akustischer (Live-)Performance keineswegs überholten, nach wie vor hochaktuellen 4-Kanal-Tonverfahren: So entstand nach In Our Name für Bariton, Violoncello und 4-Kanal-Stereotonband aus dem Jahr 2009 A Sound Map of the Housatronic River als Klanginstallation unter Verwendung dieses Verfahrens. Zwischenzeitlich hatte sie 2005 eine „Hörkarte“ der Donau angelegt, indem sie die Umgebungsgeräusche des Flusses nutzte, auch darin eher eine unkonventionelle Rezipientin – wenn man so will – von Smetanas Moldau …

Annea Lockwood setzte von Anfang an, unter Einbeziehung von Objekten wie den Heliumballons in Verbindung mit einem Musikbox-Klavier in Gone! (2007), auf die performative Verwirklichung ihrer Kompositionen und bastelt neben ihrer pädagogischen Tätigkeit als Professorin am traditionsreichen Vassar College im Staat New York, an dem schon Ernst Krenek unterrichtete, an verschiedenen Projekten weiter.
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