(Nahezu) erstmals auf Tonträger

Während das Gros aller Vertreter des Musikmarkts gespannt auf Benny Anderssons Solo-Klavier-Produktion Piano bei der Deutschen Grammophon im Doppelpack wartet (an Luthers diesjährigem Geburtstag ist es soweit), so tun sie dies nicht ganz zu unrecht: Man höre sich etwa einen Titel wie Målarskolan an, der selbst Puristen in Sachen Kunstmusik in einer solchen Interpretation überzeugen könnte – dabei steht dieser Titel in fast unmittelbarer Nachbarschaft zu einem hier nochmals veredelten alten ABBA-Song wie Thank you for the music. Älteres schwedisches Lied- und Tanzgut ist auf dem Album mitverarbeitet und wird von Andersson einfühlsam stilisiert, manchmal auch schwungvoll-prägnant vorgetragen.

Rare Klavierstücke von Ludovico Einaudi sind auf der gerade vom Stapel gelaufenen CD 'Passaggio' versammelt (Et cetera / Harmonia mundi, 13.10.2017, B075M7B1Q5).
Rare Klavierstücke von Ludovico Einaudi sind auf der gerade vom Stapel gelaufenen CD ‚Passaggio‘ versammelt (Et cetera / Harmonia mundi, 13.10.2017, B075M7B1Q5).

Das vorwiegend für Modern Art Jazz bekannte Label ECM bietet nun mit Last Leaf, der aktuellen Einspielung des Dänischen Streichquartetts, eine Palette von Instrumentalbearbeitungen traditioneller Lieder und Tänze. Das choralbasierte Verzweifle nicht, mein Herz wechselt mit Sjølins Shore, dieses wiederum mit einer Polka, einem Menuett, Rune Tonsgaard Sørensens Shine You No More, dem mittelalterlichen skandinavischen Tagelied Drømte mig en drøm, Najas Walzer von Sjølin und einer ebenso quartettgemäßen Deutung des Volkslieds Hur var du i aftes så sildig („Wie warst du am Abend so spät…“). Es handelt sich zwar durchgehend um durch improvisatorische Elemente verfremdete Versionen, allerdings erfolgte die Bearbeitung mit hohem, für den künstlerischen Anspruch des dänischen Volkslieds selbst signifikanten Strukturbewusstsein, das niemals einen Bruch in der Stilgebung der melodischen Faktur zulässt.

Instrumentale Interpretationen alter und überall in Dänemark bekannter Lieder (und Tänze) präsentiert das Danish String Quartet mit 'Last Leaf' (ECM 2017, B074CHGWN1).
Instrumentale Interpretationen alter und überall in Dänemark bekannter Lieder (und Tänze) präsentiert das Danish String Quartet mit ‚Last Leaf‘ (ECM 2017, B074CHGWN1).

Geradezu berauscht von Impressionen schlägt der Komponist und Improvisationskünstler Stefano Battaglia auf der EMC-Produktion Pelagos („Meer“) das Klavier. Neben dem hervorgehobenen Thema Migration sucht er alles Fremde und Exotische in Klangfolgen zu fassen, die zwar irritierend wirken können, aber den tonalen Rahmen selten verlassen, in jedem Fall niemals in polytonale oder aleatorisch-beliebige Strukturen zerfallen. Der Eindruck eines Gedankens, einer Idee, eines Bildes (von Wirklichkeit) bleibt in Miniaturen wie Dogon, Exilium oder Heron stets der beherrschende Parameter.

Matt Haimowitz spielt Glass' Partiten für Violoncello allein (2017, B072MPK5BT).
Matt Haimovitz, der sowohl in den USA als auch in Kanada lebt und unterwegs ist, spielt Glass‘ Partiten für Violoncello allein (Orange Mou 2017, B072MPK5BT).

Die auf einem neuen Album bei col legno versammelten neueren – für Saxophon-Quartett transkribierten – Stücke von Arvo Pärt unter dem Titel Anima und in der Deutung durch das Alea Saxophone Quartet lassen ebenso aufhorchen wie die wohl erste vollständige Aufnahme von Philip Glass‘ Partiten für Cello solo aus dem Jahr 2010, die aus sieben Sätzen bestehen und nun von Matt Haimovitz mit großer Sensibilität für das Label Orange Mou eingespielt wurden.

Klavierstücke des einst „prototypischen“ italienischen Exponenten der Minimal Music Ludovico Einaudi erschienen gerade auf der CD Passaggio, vorgetragen von Michael van Kruecker. Hier erlebt man den ebenso umstrittenen wie schon jetzt legendären Komponisten auch von einer anderen Seite.

 

 


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