1995 und damit ein Jahr bevor Adrienne Elisha beim Warschauer Herbst als Komponistin und Bratschistin in eigener Sache auftrat, feierte ihr Orchesterwerk Passages Geburtstag. Der Titel bezeichnet gewissermaßen das Phänomen Musik als solches, da dieses per se durch ein der Zeitlichkeit unterworfenes Entstehen und Verwehen, seinem etymologischen Gehalt nach aber auch durch das „Leiden“ an dieser Vergänglichkeit charakterisiert sein mag. Der nächste Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: 1997 wurde sie zum Ohio Composer of the Year ernannt, drei Jahre später wurde ihr Cellokonzert Cry of the Dove, dem Cellisten der Aufführung selbst, nämlich Steven Elisha gewidmet, aus der Taufe gehoben.

Elishas beruflicher Werdegang ist dabei nicht nur vom praktischen virtuosen Violaspiel geprägt, sondern ebenso durch die Konzentration auf theoretische Aspekte und die Kompositionslehre. In diesem Fach doziert sie am Vassar College in Poughkeepsie, zuvor hatte sie an der University of Buffalo bei David Felder den Doktortitel erworben. Für ihren Werdegang hatte sie sich Zeit gelassen und unter anderem bei John Eaton und Leonard Bernstein Komposition an der Indiana University von Bloomington studiert. Der eigene Auftritt im Orchester und als Solistin spielte dennoch weiter eine eminente Rolle; aus diesem Grund schloss sie ein Instrumentaldiplom bei der namhaften amerikanischen Bratschistin Heidi Castleman am Cleveland Institute of Music ab.

Einige große und bekannte Orchester in den Vereinigten Staaten erteilten ihr Aufträge: Unter anderen spielte das Arditti String Quartet eine Originalkomposition von Adrienne Elisha, das Chamber Orchestra of Boston, das American Chamber Orchestra und das New York Music Ensemble. Außer an verschiedenen US-amerikanischen Wettbewerben und Konzertforen wie etwa dem Colorado Springs New Symposium erklangen ihre Werke auch in Europa, etwa anlässlich des International Bartók Festival im ungarischen Szombathely.

Bei einem Blick auf ihren Werkkatalog fällt auf, dass es sich oft um relativ knappe, konzentrierte Stücke handelt, die überwiegend kammermusikalisch angelegt sind, bestimmt für Solo-Klavier, -Marimba oder -Viola, Streichquartett, Holzbläserensemble, ein Duett aus Oboe und Fagott oder für Cello und Klavier. Tenor und Fagott treffen in den Griechischen Liedern aufeinander. Die reinen Orchesterkompositionen scheinen gegenüber der intimen Sprache in diesen Stücken kleiner oder minimaler Besetzung eher Ausnahmen von der Regel zu sein: 2013 trat sie mit dem Christoph von Dohnanyi gewidmeten Encore Nach Brahms hervor, zwei Jahre später erschien Azure für Streichoktett, dessen Aufführung vom Chamber Orchestra of Boston übernommen wurde.
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