Salonmusik – Basis für mehr Gehör?

Ambroise Thomas hielt Cécile Louise Chaminade (1857 – 1944) nicht für eine komponierende Frau, vielmehr sei sie „ein Komponist, der eine Frau ist“, was in den ersten Dezennien des 20. Jahrhunderts noch ebenso viel Verwunderung wie Bewunderung erkennen ließ, zumal sie in den Ohren der Zeitgenossen mit derselben Wucht wie die männlichen Kollegen Klavier spielte. Tatsächlich entkoppelte sich die in Paris geborene spätere Tochter eines Versicherungsdirektors sehr bald jeglichem männlichen Protektorat. Von ihrer Mutter, die selbst eine brillante Pianistin war, erhielt sie anfänglich Unterricht, komponierte aber schon mit acht Jahren selbstständig. Aufgrund der dabei entstandenen geistlichen Werke erhielt sie auf Veranlassung George Bizets hin praktischen wie theoretischen Unterricht und konnte mit achtzehn Jahren schon auf Tournee innerhalb Frankreichs und nach England gehen.

Kaum übertroffen ist Peter Jacobs Einspielung von Cécile Chaminades Klaviermusik aus dem Jahr 1993 - fast selbst schon ein Klassiker (B000CETZEG, Helios).
Kaum übertroffen ist Peter Jacobs Einspielung von Cécile Chaminades Klaviermusik aus dem Jahr 1993 – fast selbst schon ein Klassiker (B000CETZEG, Helios).

Ihr Engagement weitete sich aus, denn neben etlichen Klavierzyklen und Einzelstücken schuf sie außer Kammermusik, etwa einem Trio für Violine, Cello und Klavier, Orchestermusik, zwei Suiten, Six pièces romantiques für Klavier und Orchester und das heute zum Standard gehörende Concertino für Flöte und Orchester op. 107, außerdem die groß angelegte chorbegleitete Symphonie lyrique Les Amazones. Sie war darüber hinaus als Dirigentin tätig, was Ende des 19. Jahrhunderts die absolute Ausnahme  darstellte. Berücksichtigt man, dass Frauen in Europa und auch Übersee außer der Produktion von geistlicher Chormusik und Liedern mit Klavierbegleitung kaum etwas anderes zugestanden wurde, ist es nicht erstaunlich, dass sie das weiblich dominierte Terrain der Salonmusik nutzte, um ihre Phantasie schweifen zu lassen und programmatisch ein weites Feld abzudecken.

Die Pianistin, Komponistin und Dirigentin Cécile Chaminade vor Ende des Jahres 1903 (Foto: Arthur Elson, US p.d.)
Die Pianistin, Komponistin und Dirigentin Cécile Chaminade vor Ende des Jahres 1903 (Foto: Arthur Elson, US p.d.)

Denn zu Céciles Chaminades Klaviermusik zählt nicht nur ein Album wie die launigen Pièces humoristiques op. 87, sondern auch der Zyklus Romances sans paroles op. 67, unter denen ein frei und kühn, weniger spielerisch gestalteter Chanson bretonne herausragt, der auf einer Volksweise beruht. Gerne widmete sie sich daneben sorglos verspielter Tanzmusik, wovon ihr Scherzo-Walzer op. 148 und die Gigue op. 43 zeugen. Ähnlichen Charakters sind auch die Pastorale op. 114 und das luftige Stück Libellules op. 24. Doch neigte die Künstlerin, analog zu Tendenzen impressionistischer und symbolistischer Lyrik in Frankreich, zu ernsthafteren, teils fast schwermütigen Tönen, was in der Élégie op. 98 ebenso zum Ausdruck kommt wie in Au pays dévasté op. 155, Tristesse op. 104 und Consolation, wenngleich letzteres zur Sammlung Pièces humoristiques gehört.

Auf Hybrid SACD erschien erst vor kurzem eine Einspielung der Sonate op. 21 und diverser Etüden von Cécile Chaminade mit Johann Blanchard am Klavier (B00R5AI72Q, Dabringhaus und Grimm, 2015).
Auf Hybrid SACD erschien erst vor kurzem eine Einspielung der Sonate op. 21 und diverser Etüden von Cécile Chaminade mit Johann Blanchard am Klavier (B00R5AI72Q, Dabringhaus und Grimm, 2015).

Als Arrangeurin eigener Musik adaptierte sie ein Intermezzo aus ihrer ersten Orchestersuite für Klavier. Ein spaßiges und bildhaft nachvollziehbares Meisterwerk schuf sie mit Arlequine, op. 53. Die Jahre emsigen Komponierens gerade auch für eigene Konzertauftritte erstreckten sich – ungefähr zwischen 1879 und 1925 – über eine weite Spanne von mehr als vierzig Jahren. 1936 ließ sich die vor allem in England gefeierte Pianistin in Monte Carlo nieder.

In der bereits 70. Folge der Hyperion-Reihe The Romantic Piano Concerto tauchte erst jetzt ihr Name mit der Einspielung des Concertstücks in cis-Moll op. 40 (B01NA7FSFQ) neben Klavierkonzerten ihrer amerikanischen Kolleginnen Amy Beach und Dorothy Howell auf. In der Aufnahme leitet Rebecca Miller das BBC Scottish Symphony Orchestra, den Klavierpart spielt der Brite Danny Driver, der gleichzeitig mit der Dirigentin verheiratet ist.

 

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