Dass Frédéric Chopin einen ganzen Kreis von vertrauten Helfern um sich scharte, die ihm jederzeit beispringen sollten, ist bekannt. Zu ihnen zählte auch der hochbegabte Pianist Julian Fontana. Er wusste, was bevorstand, wenn er für seine Gewandtheit und Anständigkeit gelobt wurde: Arbeit im Schatten des Berühmteren. Ob sich der vielseitig talentierte Rechtsanwalt, Pianist, Komponist und Geschäftsmann längere Zeit in die USA absetzte, um der Inanspruchnahme des Freundes zu entgehen, bleibt aber Spekulation. Denn seinen eigenen Worten nach handelte es sich um freiwillige Tätigkeiten, die er gerne übernahm: So war er es, der sich maßgeblich beinahe zehn Jahre lang der Veröffentlichung von Chopins Werk nach dessen Tod widmete.

Julian Fontana wurde als Spross einer Generationen zurückreichenden italienischen Architektendynastie am 31. Juli 1810 in Krakau geboren. So arbeitete ein Brüderpaar aus seiner Familie am Ende des 17. Jahrhunderts am Erscheinungsbild der Warschauer Heilig-Kreuz-Kirche mit und sein Vater war bald zum königlichen polnischen Finanzkämmerer aufgerückt. Die Freundschaft mit Chopin datiert bereits aus den gemeinsamen Jahren am Gymnasium. Als Konkurrenten sahen sich die beiden Musiker wohl nie, wofür auch spricht, dass Fontana bereits im Jahr 1828 mit ihm zusammen dessen Rondo in C-Dur zu vier Händen vor Publikum spielte.

Allerdings trennte die unterschiedliche Karriere beide immer wieder: Fontana schloss zwei Jahre später sein Rechtsstudium ab und wurde infolge seiner Teilnahme am Widerstandskampf Polens gegen die russische Vorherrschaft schließlich zum Leutnant ernannt. Wie nebenbei entstanden in Jahren des Engagements für Chopins Werke und während mancher Konzerttournee eigene: À la Mazurka, Andantino, Caprice, Grande Valse Brillante, Rhapsodie à la Polka, Douze réeeries und auf Kuba, wo 1844 unter seinen Händen erstmals Chopins Klavierwerke erklangen, La Havanne und als Reminiszenz an die Karibik Lolita und Souvenirs de l’Ile de Cuba.
Wie kam es zu dem anhaltenden karibischen Engagement? Julian Fontana hatte die aus französischer Familie gebürtige 26jährige Camila Dalcour auf Kuba kennen gelernt. Zu diesem Zeitpunkt war diese bereits mit einem Briten verheiratet und hatte mit diesem vier Kinder. Sie wurde später, als Fontana nach New York übergesiedelt war, dort seine Gemahlin und nochmals Mutter. Bereits 1855 starb sie, nochmals schwanger geworden, an einer Lungenentzündung, als beide längst nach Paris umgezogen waren.
Eigenartig mag es scheinen, dass Julian Fontana später auch als Autor in Fachgebieten hervortrat, die weder mit der Laufbahn des Komponisten und Pianisten noch mit der des Juristen vereinbar waren: Er veröffentlichte ein Buch über volksläufige Astronomie sowie eine Abhandlung zur Orthographie der polnischen Sprache, nachdem er bereits eine Übersetzung von Cervantes‘ Don Quijote de la Mancha publiziert hatte.

Näher an seiner ursprünglichen Berufung waren aber seine nicht nachlassende Herausgabe von Chopins Klavierwerk und die eigene Produktion polnischer Kunstlieder wie Zakochana, Smutna rzeka, Przypadek und Wyjasd. Tatsächlich setzte er sich aber Zeit seines Lebens beinahe mehr für Chopin als für die eigene verheißungsvolle Karriere ein und korrespondierte mit seinem kubanischen Schüler Nicolas Ruíz Espadero, der erfolgreich in seine Fußstapfen als Komponist getreten war und mit seinem amerikanischen Kollegen Louis Moreau Gottschalk.
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