Einmal als Neoromantiker etikettiert sollte man einen in Philadelphia aufgewachsenen und in New York zum Geiger und Pianisten ausgebildeten Komponisten gegen allzu klischeehafte Zuschreibungen verteidigen: Aaron Jay Kernis‘ Traditionshaftung mag dadurch bedingt gewesen sein, dass er seiner Neigung zu Streichinstrumenten folgend besonders das romantische Symphonieorchester mit seinem aufwändigen Streicherapparat favorisiert als auch Kammermusik für sein Instrument und dessen Verwandte schreibt. Zu seinem Portfolio gehören bereits mehr als 25 Konzerte, darunter auch solche unter solistischer Führung von Cello, Englisch Horn und Kinderklavier.

Der von A. J. Kernis selbst in den Ring geworfene Hang zur Klangschönheit relativiert sich durch die gänzlich andere, nämlich der Moderne des 20. (und 21.) Jahrhunderts geschuldete harmonische Ästhetik. Hier sind sowohl Tendenzen zu Debussy als auch zum Minimalismus und zum Hip Hop auszumachen. Die unterschiedlichen Einflüsse spiegeln sich in den zahlreichen keineswegs vergleichbaren „Schulen“, durch die der gerne von Farb-, Licht- und Klangsynästhesien inspirierte Komponist ging: Er studierte bei John Adams am Konservatorium von San Francisco, bei Charles Wuorinen und Elias Tannenbaum in Manhattan, außerdem mit Jacob Druckman und Morton Subotnick in New Haven.

In Verbindung mit einer regen und kreativen musikalischen Fantasie entstanden so in sich vielfältige, von Imaginationen und visuellen Eindrücken beeinflusste Klangarrangements wie 1995 Goblin Market für Erzähler und Ensemble, die Orchesterwerke Color Wheel (2001), Newly Drawn Sky (2005) und On Wings of Light (2010). A. J. Kernis‘ Faible für Farbklangstudien bestimmte auch Colored Fields (1994) für Englisch Horn und Orchester und schon den 1990 abgeschlossenen Liedzyklus Brilliant Sky, Infinite Sky für Bariton, Violine, Klavier und Schlagzeug. Manches Stück zeigt den jungen Komponisten, hierin vergleichbar dem Dänen Niels Marthinsen von seiner ironisch-witzigen Seite, etwa mit dem (im Original italienischen) anspielungsgesättigten Titel Die vier Jahreszeiten der futuristischen Küche für Erzähler und Klaviertrio aus dem Jahr 1991.
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