Er gehört gewiss zu den ausdrucks- und wandlungsstärksten Holzbläsern unserer Zeit: Der Leiter des Barockensembles L’Onda Harmonica, das er selbst vor drei Jahren begründete, wuchs in Bolzano alias Bozen notwendigerweise in einer zweisprachigen, bikulturellen Umgebung auf; aus diesem Grund bewegt er sich wie selbstverständlich sowohl im deutschen wie im italienischen und im internationalen Sprachraum: Selbst hatte der Virtuose zunächst in seiner Heimatstadt, dann bei dem namhaften Fagottisten Klaus Thunemann in Hannover studiert. Nach einer Professur an der Musikhochschule Stuttgart fand er eine feste Bleibe in derselben Funktion an der Hochschule für Musik in Basel. Von 2002 bis 2007 fungierte er als künstlerischer Leiter der Kammerakademie Potsdam an einem der zentralen kulturhistorischen Dreh- und Angelpunkte Europas.

Sergio Azzolini avancierte als Begriff auf internationalem Parkett nicht erst seit seiner Einspielung von Antonio Vivaldis Concerti per fagotto mit dem Ensemble L’Aura Soave aus Cremona unter der Leitung von Diego Cantalupi in den Jahren 2010 und 2011. ECHO Klassik bewertete die zweiteilige Ausgabe als „Die Konzerteinspielung des Jahres 2011“. Zuvor war er bereits lange Zeit Musiker im Ensemble Baroque de Limoges und spielte sowohl mit der Kölner Formation La Stravaganza, als auch mit dem Collegium 1704, den Parnassi Musici und den Sonatori della Gioiosa Marca. Weitere wichtige Aufnahmen mit Sergio Azzolini als Solisten liegen auch von Gioacchino Rossinis Fagottkonzert und Carl Philipp Emanuel Bachs Werken für das Instrument vor. Populär unter fortgeschrittenen Studierenden ist der zweifache Preisträger des ARD-Musikwettbewerbs auch wegen seiner zahlreichen Meisterkurse.

Was aber macht die Besonderheit dieses persönlichen Fagottklangs aus? Deutlich ist, dass Sergio Azzolini in puncto Expressivität und Nachdrücklichkeit des Spiels einiges von Klaus Thunemann gelernt hatte, der die Vivaldi-Fans im Konzert ohne Mühe einst zum Schwitzen brachte. Zum anderen – und dies ist ein markanter Unterschied zu seinem ehemaligen Lehrer – versteht er sich auf eine flexiblen, mitunter schlanke Tongebung. Einmal erinnert bei ihm in den höheren Lagen das sonst doch eher in unergründlicher Tiefe schnurrende und plappernde Instrument an eine Posaune, dann, insbesondere im Largo-Mittelsatz des Konzerts RV 499 an eine Saxophonstimme jenseits jeglichen klassischen Repertoires. An Jazz-Auftritte lässt der äußerst biegsame, jedoch nie in einem ausladenden fortissimo oder pianissimo befangene Klang häufig denken – und zwar gerade in den durch die Agogik der jeweiligen Partitur bedingten sforzando– und diminuendo-Passagen. Gelegentlich nähert sich Sergio Azzolini, wie die Aufnahme des Larghetto in RV 490 zeigt, in mittleren bis höheren Lagen fast dem Timbre der Klarinette an.
Schreibe einen Kommentar