Über viele Jahre hinweg diente der gebürtige Veroneser und Violoncellist aus Modena dem Münchner Hof, als kurfürstlicher Rat ebenso wie als Kammerkonzertmeister, nachdem er bereits elf Jahre im dortigen Residenzensemble mitgespielt hatte: Evaristo Felice Dall’Abaco (1675 – 1740) gilt mit seinen zahlreichen Violin- und Triosonaten sowie vierstimmigen sonate da chiesa unter Einbeziehung seines eigenen Instruments heute als einer der profiliertesten Komponisten des Spätbarock. Er wusste kontrapunktische Satzkunst mit italienischem Gusto geschickt zu verknüpfen. Darüber hinaus haben in den letzten Jahren seine „weltlichen“ Concerti für mehrere Instrumente op. 5 und op. 6 größere Beachtung gefunden.

Im Gesamtcharakter, allerdings nicht in der ohnehin bemerkenswerten Erfindung einprägsamer Melodien, erinnern seine 66 bislang überlieferten Kompositionen in mehrfacher Hinsicht an die Sonaten des Bologneser Geigers Giovanni Battista Vitali (1632 – 1692), bei dessen Sohn Tomaso Antonio Dall’Abaco in Modena studierte. Zwischen 1695 und 1702 wirkte hier auch Giovanni Battista D’Ambreville, dessen Wertschätzung des französischen Stils – ebenso wie die von dort übernommene Tanzkultur – deutliche Wirkung auf die jungen Musiker in der Stadt zeitigte. Trotz seiner Bemühungen fand der für die Messliturgie arbeitende Cellist hier kein geregeltes Auskommen. So mochte die Berufung durch den bayerischen Monarchen im Jahr 1704 eine willkommene Verbesserung seiner Lebensumstände bedeutet haben.
Die Jahre des Schaffens für den Münchner Hof waren in der dreisätzigen Anlage der Sonaten und Konzerte durch die strenge Beachtung der italienischen Form geprägt, doch verrät sich hier und da und insbesondere in der Stilgebung der Tanzsätze deutlich das französische Vorbild, nämlich vor allem Lullys Kunst der Ballettkomposition: In seiner spezifisch gravitätisch-lyrischen Deklamation erinnern daran etwa die Passepieds I und II des Concerto e-Moll aus der Sammlung des Opus 5. Ingeborg Allihn machte darauf aufmerksam, dass sich in den Schlusssätzen der vierstimmigen Konzerte der Geist der französischen Gigue wiedererkennen lässt. Darüber hinaus tritt im Opus 6 von 1734 die erste Violinstimme solistisch geführt in Erscheinung, an anderer Stelle werden die Violinparts sogar dreifach geteilt.

In der Aufnahme mit dem selbst aus Verona stammenden Ensemble Il Tempio Armonico unter Alberto Rasi wird in den sanglich gehaltenen langsamen Mittelsätzen die Solo-Oboe als Klangfarbe überzeugend eingesetzt; gleichermaßen nutzen die Musiker die Echowirkung kleiner wiederholter Einheiten trotz des halligen Raums in nobler Zurückhaltung. Anders als in Antonio Vivaldis Konzerten gewinnt aber die ab und an gepflegte „perkussive“ Tonrepetition nirgends den Status einer rhythmischen Strukturierung; vielmehr verwendet Dall’Abaco sie ebenso wie die Wiederholung kleiner Themateile nur moderat und en passant.
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