Die Tatsache, dass in Skandinavien folkloristische Musik bereits seit dem 16. Jahrhundert notiert wurde, vermittelt einen Eindruck vom Alter gerade weltlicher Lied- und Instrumentalkunst im nordeuropäischen Archipel. Die Erforschung und fortgeführte Praxis der „Runen“ im finnisch-samischen Raum führt zurück auf eine nicht-tonale, in erster Linie in pentatonischen Tonleitern ausgeführte Vokalkunst, die sich häufig auf die alten Texte aus der Kalevala-Tradition bezog. Vermutlich wurde diese Musik das ganze Mittelalter hindurch gepflegt. Gerade die taghellen Nächte der Mittsommerzeit sind bis heute ein willkommener Anlass für instrumental begleitete solistisch oder von Ensembles aufgeführte Vokalmusik, wobei immer wieder die Grenzen zwischen Kunstmusik klassischen Zuschnitts, Pop- und Jazz-Art verschwimmen.

Wegen des überwiegend heiteren und trockenen Charakters der Jahreszeit Ende Juni kommen die exzeptionell aus Finnland bekannten, ursprünglich nur von Frauen gesungenen Klagelieder, itkuvirsi genannt, hier eher nicht zum Zuge. Open-Air-Konzerte von Fusion- und Metalbands dürften die Hauptrolle spielen, dasselbe gilt für die kleineren und größeren Formationen der Opernhäuser etwa in Helsinki, Turku und Tampere. Dabei passen eigentlich zur Sommerstimmung in diesen Tagen ideal die Streichquartette und daneben die einfacher gestrickten Violinkonzerte des ersten vollgültigen Vertreters finnischer Kunstmusik, Erik Tulindberg (1761 – 1814).

In ersteren orientierte sich Erik Tulindberg deutlich an Joseph Haydn, außerdem an Mozarts Werk und an der Mannheimer Schule. Der Geiger und Cellist aus Väkähyrö verbrachte den größten Teil seiner Schaffenszeit in der seinerzeit „schwedischen Bastion“ Turku, zwischenzeitlich als Verwaltungsbeamter in Oulu; er diente mit seinen Kenntnissen und Fertigkeiten seit 1797 der Schwedischen Musikakademie. Sein Violinkonzert in B-Dur op. 1 liegt übrigens beim Label Ondine mit Kreeta-Maria Kantala als Solistin und dem Sixth Floor Orchestra vor.

Hauska Juhannusta! – Frohes Mittsommerfest! heißt es unter anderem in den leider schnell wieder vorübergehenden Weißen Nächten, wenn das Johannisfeuer entzündet wird. Als legendär gilt das Folklore-Fest auf der Insel Seurasaari vor Helsinki. Im Licht der Mitternachtssonne wird getanzt und gefeiert und zwar querbeet durch die Generationen. Klassikhörer kommen natürlich beim Savonlinna Opernfestival wieder auf ihre Kosten: Viele Konzerte finden auch in diesem Sommer im Hof der mittelalterlichen Burg Olavinlinna statt.

Der Dom zu Mikkeli lädt ab kommenden Montag, den 27. Juni 2016, zum Gergiev-Festival ein. Das Mariinsky Theaterorchester hat unter anderem Verdis Requiem im Reisegepäck und wartet mit einem Prokofiev-Zyklus ebenso wie mit Werken von Richard Strauss und Igor Strawinsky auf. Zum Abschlusskonzert am 1. Juli trifft sich in diesem Rahmen der finnische Bariton Aarne Pelkonen mit Juha Alakärppä am Flügel zu einem Schubert-Abend. Vom 2. bis zum 9. Juli hat das südfinnische Kirchspiel Sysmä – bekannt für seinen einstigen Tangosänger Olavi Virta – unter der Leitung von Kapellmeister Esa Heikkilästä eine Reihe klassischer Konzerte anzubieten.
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