Nicht eben planlos scheint die nach bemerkenswerten Schubert- und Chopinrecitals erfolgte Neuausrichtung der russischen Pianistin Olga Scheps in diesem Jahr: In Kürze, am 17. Mai nämlich, jährt sich Erik Saties Geburtstag zum 150. Mal – Grund genug für zahlreiche Sonderkonzerte und Ausstellungen europaweit, denn der Jubilar gilt vielen bis heute als exzentrische Ausnahmeerscheinung sowohl im Leben als auch in einem kompromisslosen Schaffen, das sich jeder Schubladensortierung entzieht. Als Barpianist am Montmartre neigte er in den eigenen Kompositionen zur Anverwandlung banaler Unterhaltungsmusik in eine neue, von Vereinfachung und Verfremdung geprägte abstrakte Tonsprache. Trotz oder gerade wegen des monotonen Klangpendelns, das etwa Klavierstücke wie die Trois Gymnopédies zwischen 1888 und 1917 charakterisiert, fehlt es diesem Werk weder an einem sehr spezifischen Humor noch an Ironie.

Enharmonische Rückungen oder Modulationen in sehr entfernt verwandte Tonarten verleihen Saties pianistischen Capricen daneben eine sonderbare, bis zur Melancholie reichende Versonnenheit. Den unentschieden schwebenden Klang der eigenartigen Kammerstücke, zu denen nicht die hier auch erklingenden launigen Cinq Grimaces pour le songe d’une nuit d’été und Je te veux gerechnet werden dürfen, transportiert Olga Scheps in angemessener Art und Weise. Den überwiegenden Teil des ausgewählten Programms kennzeichnet gerade eine absichtsvoll-unabsichtliche Verflüchtigung ins Ätherische wie der Hauch eines Parfums in der freien Luft zerstäubt. Hier spricht sich eine ästhetische Randexistenz aus, die sich der konzentrierten Wahrnehmung eher entziehen will als sie zu provozieren.

Die Schlichtheit und Kargheit dieser Musik resultiert aus einer sehr persönlichen und bewussten Formalisierung, die sich in der neuen Aufnahme jedoch nirgends aufdrängt; vielmehr drängt der Gehalt jedes einzelnen Stücks an die glatte Oberfläche, schwingt Olga Scheps‘ Interpretation zwischen träumerischen und spielerischen Momenten. Den per se „gedankenhaften“ Six Gnossiennes aus der mittleren Schaffensperiode und ebenso den frühen Trois Sarabandes von 1887 hätte im Vergleich zu anderen namhaften Einspielungen freilich eine schärfere Kontrastierung, wo immer möglich, gutgetan. Der in Deutschland aufgewachsenen Künstlerin, die übrigens mit Vorliebe in kleineren und größeren Ensembles auftritt und keineswegs nur solistisch, kann bei alledem nicht – wie vielleicht den tatsächlichen Profiteuren des Jubiläums – vorgeworfen werden, sie würde in plakativer kommerzieller Manier Saties Geburtstag feiern; vielmehr ist alles gut vorbereitet, hat sie sich hörbar lange intensiv mit dieser im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Rahmen (um 1900) fallenden musikalischen Idiomatik auseinandergesetzt.
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