Würde und Ausgelassenheit

An der Schwelle zur Barockzeit bezeichnete man nicht nur einen speziellen, sondern nahezu alle Tänze, bei denen nicht gehüpft und gesprungen werden musste, als „niedere Tänze“, basses danses; demnach hat der Begriff nichts mit einer etwaigen Herkunft von Schichten unterhalb des Hofes zu tun – das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Obgleich der ursprünglich so benannte geradtaktige Tanz insbesondere im 15. und 16. Jahrhundert bei Hof populär war, gehen seine Wurzeln doch viel weiter zurück …

Der Tänzer erweist seiner Dame : Aus Thoinot Arbeaus  (1589, domaine public).
Der Tänzer erweist seiner Dame <révérence>: Aus Thoinot Arbeaus <Orchésographie> (1589, domaine public).

Bereits im Jahr 1320 findet er nämlich Erwähnung in einem okzitanischen Gedicht von Raimon de Cornet. Seit 1455 kommen in der Literatur auch Beschreibungen des Paartanzes vor, der häufig als Ergänzung zum schnelleren Tourdion erwähnt wird – wie ja auch die Courante als Supplement der Allemande gesehen wurde und die Gaillarde als „bessere“ Hälfte der Pavane galt.

Die genaueste Schilderung einer Basse danse rührt vielleicht von Thoinot Arbeau her, der ihr sowohl Einzel- und Doppelschritte als auch Seitwärtsbewegungen und Rückwärtsläufe in variantenreicher Abfolge zuschrieb. Als besonders praxisnah kann ein Brüsseler Manuskript aus dem frühen 16. Jahrhundert bezeichnet werden, das ein großes Repertoire von nahezu 60 Melodien mit Tanzschritten aufweist.

Peter Warlock alias Philip Arnold Hazeltine (1894 – 1930) ist nicht mit einem gleichnamigen Zauberkünstler zu verwechseln. Er reanimierte kurzzeitig die und den in seiner Capriol-Suite von 1926, hier dirigiert von Neville Marriner (B00005QDYO, Decca, Ausgabe 2002).

Zu den hier gegebenen Tonfolgen improvisierten die weiteren Instrumentalisten zusätzliche Stimmen. Eine besonders reichhaltige Quelle stellt Pierre Attaingnants Sammlung vierstimmiger Basses danses (und anderer Formen) um 1530 dar. In ihrer Blütezeit unterschied sich die Besetzung kaum von der anderer Tänze, die durch Trompeten und Schalmeien oder Harfe, Laute und Schlagwerk ausgeführt wurden. Der Basse danse als Schreittanz eignete ein eher gemessener Charakter, der dem „majestätischen“ Auftreten der hohen Aristokratie durchaus korrespondierte.

Der Renaissancekomponist Tielman Susato (ca. 1510 - 1570) trug 1551 zur musikalischen Aufzeichnung des Schreittanzes  bei (Vingt et six chansons musicales &  nouvelles, 1545, 13.12.2011).
Der Renaissancekomponist Tielman Susato (ca. 1510 – 1570) trug 1551 zur musikalischen Aufzeichnung des Schreittanzes bei (Vingt et six chansons musicales & nouvelles, 1545, 13.12.2011).

 

Für erfrischende Abwechslung sorgte der gerne unmittelbar folgende Tourdion als Nachtanz im ungeraden Takt, in der kontrastierend zum etwas steifen Habitus der Basse danse Sprungfiguren vorgesehen waren. Geht man Arbeaus Ausführungen nach, so ist der Tourdion in choreographischer Hinsicht am ehesten mit der Galliarde verwandt, allerdings deren schnellerer Cousin; in seiner Skizzierung hier fehlen allerdings Sprünge, vielmehr bleiben die Schritte knapp über dem Boden. Konkrete musikalische Instruktionen dazu fehlen bis hin zu Attaingnants Sammlung, obwohl der Tanz in der belletristischen Literatur schon viel früher auftaucht.

Cefnbryntalch, Llandyssil: In diesem schmucken Landhaus lebte und arbeitete Peter Warlock (ceridwen, 7.8.2005).
Cefnbryntalch, Llandyssil: In diesem schmucken Landhaus lebte und arbeitete Peter Warlock (ceridwen, 7.8.2005).

Als später Nachhall auf die untergegangenen und damit historischen Tänze lässt sich Peter Warlocks Basse-danse in der Gangart Allegro moderato und der Tordion mit der dynamischen Bezeichnung Con moto aus seiner Capriol-Suite von 1926 auffassen. Der britische Komponist und Musikkritiker, der mit bürgerlichem Namen Philip Arnold Hazeltine hieß, bezieht sich damit direkt auf Thoinot Arbeaus Orchésographie aus der Spätrenaissance zurück.

 

 

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