Fields finnoschwedisches Pendant

Stand er nur im Schatten seines eher geheimnisumwitterten Komponistenkollegen John Field? Dass er auch in den späteren Annalen der Musikhistorie anders als der sieben Jahre jüngere Pianist europaweit kaum genannt wurde, liegt wohl eher daran, dass er nicht wie dieser (mit dem Nocturne für das Klavier) eine eigene Gattung schuf, die sich einen überaus erfolgreichen Weg durch das 19. Jahrhundert bahnen sollte. Stilistisch betrachtet stehen sich beide Musikschaffende allerdings sehr nahe: Sie pflegten beide eine elegante und gleichzeitig aus dem Sonatenhauptsatz hervorgegangene ausbalancierte Schreibweise. Für beide bildete die Rezeption der Wiener Klassik eine Grundlage, doch gingen sie in forschem Eigensinn über diese hinaus: Auch der Finne Bernhard Henrik Crusell, um den es hier gehen soll, wagte eine eigene Sprache jenseits von Beethoven und selbst Schubert.

Die Klarinettistin Emma Johnson spielte 1991 alle drei Solo-Konzerte von Bernhard Henrik Crusell ein (B000025RTU, ASV Records).
Die Klarinettistin Emma Johnson spielte 1991 alle drei Solo-Konzerte von Bernhard Henrik Crusell ein (B000025RTU, ASV Records).

Der 1775 im heutigen Nystad geborene Klarinettist arbeitete seit 1791 in Schweden, wo er dank seines besonderen Tons und virtuosen Spiels bald einen Platz neben den angesehenen Musikern der Königlichen Schwedischen Hofkapelle einnahm. Dabei hatte er längst Können und Ausdauer als Orchesterklarinettist unter Beweis gestellt, denn bereits mit zwölf Jahren versah er eine feste Stelle in der Militärkapelle von Sveaborg. Weitere Instrumentalstudien und der Kompositionsunterricht führten ihn zunächst nach Berlin, 1803 dann auch ans Pariser Konservatorium, wo er von Abbé Vogler und François-Joseph Gossec weiter ausgebildet wurde. Gute Aussichten zogen ihn nach Stockholm zurück, wo er – seiner Tätigkeit für das Militär in jungen Jahren – bald zum musikalischen Leiter zweier Regimenter avancierte.

Der Klarinettenvirtuose und Komponist Bernhard Crusell (1775 - 1838) auf einem zeitgenössischen Gemälde (s/w-Reproduktion, J.G. Sandberg, 1826)
Der Klarinettenvirtuose und Komponist Bernhard Crusell (1775 – 1838) auf einem zeitgenössischen Gemälde (s/w-Reproduktion, J.G. Sandberg, 1826)

In Schweden festigte sich Crusells Ruf als Komponist mit der Oper Den lilla Slafvinnan oder Die kleine Sklavin, die 1824 in Stockholm uraufgeführt wurde. Dank der Klarinettisten Dieter Klöcker und Jost Michaels eroberte ersich  in den letzten Jahren aber eher einen vorderen Platz in den Konzerthallen, nämlich wegen seiner Klarinettenkonzerte, die von zahlreichen Solisten und Orchestern eingespielt wurden: sei es vom „Wunderkind“ des Jahres 1991, Emma Johnson und dem English Chamber Orchestra mit allen drei Konzerten, Thea King Ende der 1990er Jahre, Martin Fröst 2008 oder vom schwedischen Virtuosen Håkan Rosengren 2014 mit dem 3. Klarinettenkonzert in B-Dur.

Eine der neuesten Einspielungen von Crusells 3. Klarinettenkonzert liegt mit dem weltweit gefragten Solisten Hakan Rosengren vor (B00006ALCM,
Eine der neuesten Einspielungen von Crusells 3. Klarinettenkonzert liegt mit dem weltweit gefragten Solisten Håkan Rosengren und dem Sundvall Chamber Orchestra vor (B00006ALCM, Caprice Records 2014),

Darüber sollte aber Crusells umfangreiches Werk für Kammerbesetzung mit Bläsern nicht vergessen werden. Neben anderem verdienen die Quartette für Klarinette mit Streichinstrumenten Erwähnung oder ein Quartett für die Besetzung Flöte, Violine, Viola und Violoncello, Klarinettenduos, eine Sinfonia concertante für Klarinette, Horn, Fagott und Orchester sowie ein Quintett mit Oboe und Streichquartett. auch die Vokalwerke des Finnen sollten hier nicht zu kurz kommen: Im Zuge der frühromantischen Begeisterung an mittelalterlichen Sagastoffen widmete er sich mit Zwölf Gesängen aus der Frithiof’s Saga (1827) nach der Vertonung Texten Esaias Tegnérs weiter der altnordischen Mythologie. Hier hält er durchaus einem Vergleich mit den musiktheatralischen Bemühungen seines dänischen Kollegen Johan Peter Emilius Hartmann um die Edda-Überlieferung stand.

Stilistisch aus heutiger Perspektive betrachtet stand Bernhard Crusell sicher Carl Maria von Weber und John Field näher, letzterem besonders in den munter und einfallsreich dahinsprudelnden Klarinettensoli, die sich mit den Läufen und melodieführenden Passagen aus den Klavierkonzerten des irischen Zeitgenossen sicher messen können.

Am Sonntag, den 27. Dezember zur besten Vormittagszeit um 11 Uhr und nicht zuletzt zur Einstimmung auf den Jahreswechsel spielt das Amar Quartett auf Schloss Meggenhorn in der Schweiz unter anderem Crusells Quartett in Es-Dur op. 2 für Klarinette und Streichtrio. Als Solisten im Konzert treten Fabio di Càsola und Bernhard Röthlisberger auf.

 

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert