Durch seine Initiative lebte das majestätische alte Teatro Municipal von Rio de Janeiro erneut auf: Als Präsident der Stiftung, die dem gesamten Theaterspektrum der riesigen Metropole an der Copa Cabana gewidmet war, sorgte sich Edino Krieger nicht nur um dessen Wiedereröffnung mit aktuellem Programm, sondern engagierte sich dank des von ihm ins Leben gerufenen Projekts Pro-Memus – Memória Musical Brasileira über viele Jahre für eine weiterreichende Wahrnehmung zeitgenössischer „indigener“ E-Musik in Brasilien. Der gelernte Geiger hing – nach einer impressionistisch beeinflussten Phase – als ehemaliger Student von Hans-Joachim Koellreutter längere Zeit der seriellen Musik an, angetrieben durch den ersten großen Erfolg mit seinem Bläsertrio Música 1945. Im Alter von erst fünfzehn Jahren (!) erhielt er dafür den Preis Música viva.

Dabei war der aus dem Bundesstaat Santa Catarina stammende Musiker und spätere Dirigent schon als Wunderkind hervorgetreten: Mit neun Jahren gab er in mehreren Städten Brasiliens Violinkonzerte und vervollkommnete sein Spiel später bei William Nowinsky an der US-amerikanischen Henry Street Settlement School of Music, nachdem er in Tanglewood bereits Komposition bei Aaron Copland und vorübergehend auch unter den Fittichen von Darius Milhaud sowie an der New Yorker Juilliard School bei Peter Mennin studiert hatte. Aus heutiger Sicht erscheint der Werdegang des Brasilianers als kometenhafter Aufstieg: Mit gerade einmal 21 Jahren fungierte er, nach Brasilien zurückgekehrt, als Musikdirektor beim Radiosender des Erziehungsministeriums, nebenbei managte er das Orquestra Sinfônica Nacional. Es folgten Jahre als Musikkritiker der Tageszeitung Tribuna de Imprensa. Seine Teilnahme an einem Sommerkurs nahe Rio de Janeiro bei Ernst Krenek bestärkte ihn darin, sich von der seriellen Musik abzuwenden und in tonalerer Ausrichtung mit brasilianischem Fundus weiterzuexperimentieren.

Erst 1965 gelang ihm aber anlässlich des 3. Interamerikanischen Musikfestivals in Washington eine Fusion seiner bisherig gesammelten Erfahrungen mit verschiedenen Stilen durch seine Variações Elementares. Seiner Natur lagen beinahe ebenso sehr wie das eigenhändige Komponieren die Begründung und Leitung kultureller Institutionen – was auch im Ausland für reichlich Aufmerksamkeit sorgte. Ihm zu Ehren wurden in Tokio 1996 etliche seiner Kammermusik- und Orchesterwerke gespielt, er selbst hielt zu diesem Anlass Vorträge. Seine Ritmetrias für Orchester wurden 2006 während der 37. Internationalen Winterfestspiele im brasilianischen Campos de Jordão uraufgeführt.

Nach den frühen Erfolgen mit Ludus symphonicus (1966) und ein Jahr danach mit der Toccata für Klavier und Orchester fand er 1997 mit einem Chorwerk, Te Deum puerorum brasiliae, erneut landesweit Beachtung: Ihm gelang hier eine Synthese aus den Tonsystemen der Gregorianik, nordöstlicher brasilianischer Tradition und indianischer Musik. In einer Spanne von mehr als vierzig Jahren erprobte er zunächst nach einer quasi modernistischen Jugendphase mit der Zwölftontechnik Arnold Schönbergs das Komponieren in spätromantischer Harmonik und Melodik, später in einer Art neoklassizistischen Stil, der (zunehmend) durch einheimische naturhafte und kunstmusikalische Parameter mitbestimmt wurde. Davon zeugen auch die Variações Carnavalescas von 2004 und seine Konzertsuite für Gitarre und Orchester aus dem Jahr 2005.
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