Polonaise live in Weimar

Ihren ersten Platz in der polnischen Tanzkultur bestreitet die Polonaise, die nicht nur zum offiziellen Konzert- und Festbetrieb, sondern auch zum besonders festlichen Rahmen einer jeden Abiturfeier gehört. Seit dem 16. Jahrhundert ist der populäre Schreittanz im Tanzlied bezeugt und findet sich in Lautentabulaturen ebenso wie in europäisch ausgerichteten Sammelwerken, etwa in Valentin Haußmanns Kompendium um 1600. Nach Michał Ogińskis Les adieux erreichte die Polonaise in der Klaviermusik Chopins ihren unangefochtenen instrumentalmusikalischen Höhepunkt. In „gegangener“ oder „geschrittener“ Ausführung präsentiert zirkeln bis heute heute perfekt geschulte Schülerpaare den gesamten zur Verfügung stehenden Raum ab, auf jedes Detail wird liebevoll Wert gelegt.

Steffen Möllers neues Buch stellt nicht nur eine amüsante Zeitreiswe mit  besinnlichen Momenten dar, sonern ist gleichzeitig eine detailfreudige Hommage an seine neue Heimatstadt (ISBN 978-3890294599, Malik 2015).
Steffen Möllers neues Buch stellt nicht nur eine amüsante Zeitreiswe mit besinnlichen Momenten dar, sonern ist gleichzeitig eine detailfreudige Hommage an seine neue Heimatstadt (ISBN 978-3890294599, Malik 2015).

Wojciech Kilars orchestrale Version, die zur Filmmusik Pan Tadeusz nach Adam Mickiewicz komponiert wurde, ist in Polen seit langem wegen ihres hinreißenden Schwungs und der anmutigen Melodik überall im Einsatz. Eben diese polonez führte Steffen Möller zum Abschluss seiner Show Viva Warszawa am Donnerstagabend in Weimar mit fünf Gästen spontan auf und konnte damit etwas vom Flair eines echten polnischen Tanzevents in die Atmosphäre der Weimarer Maschinenhalle hineintransportieren.

Noch mehr als bei den vorhergehenden Programmen, sei es Viva Polonia oder Expedition zu den Polen, ging der gebürtige Wuppertaler und Erforscher des Nachbarlandes an diesem Donnerstag auf die Eigenarten der westslawischen Sprache ein und gestaltete den Abend gleichzeitig zu einem hochvergnüglichen Sprachkurs für Neulinge und falsche Anfänger. Aus langjähriger Erfahrung bestätigte er anschaulich, wie sich der Humor jenseits der Oder aus einem gewissen bedauernden Pessimismus nährt und so gerade die größten Knalleffekte erzeugt. Selbst in einer öfter gehörten, scheinbar larmoyanten Wendung wie stara bieda („Altes Elend“) schwingt immer auch eine gute Portion Selbstironie und Souveränität mit.

Signierstunde: Steffen Möller im Anschluss an seine Weimarer Bühnenshow am 5. November 2015 (Agnieszka Mederer)
Signierstunde: Steffen Möller im Anschluss an seine Weimarer Bühnenshow am 5. November 2015 (Agnieszka Mederer)

Um auch Zuschauer, denen ihre erste Reise zu den Polen, vor allem aber nach Warschau, noch bevorsteht, auf alle Eventualitäten vorzubereiten, vermittelte Steffen Möller, der auch in Berlin lebt, in witziger Form Benimmregeln zum Überleben: Eine höhergestellte Dame ist demnach tunlichst von einem tiefer Rangierenden mit ihrem Amts- oder Berufstitel im Anschluss an „Frau“ (Pani) anzusprechen, ostpreußische statt polnischen Stadtnamen sind besser zu vermeiden, will man mit einem deutschem Hintergrund nicht des Öfteren anecken.

Der allseits beliebte Kabarettist und Autor Steffen Möller spielte in zahlreichen polnischen  Serien und Shows an erster Stelle mit und nahm unter anderem an der populären Sendung "Europa da się lubić" teil (Cezary p, Wikipedia.pl, 6.5.2006).
Der allseits beliebte Kabarettist und Autor Steffen Möller spielte in zahlreichen polnischen Serien und Shows an erster Stelle mit und nahm unter anderem an der populären Sendung „Europa da się lubić“ teil (Cezary p, Wikipedia.pl, 6.5.2006).

Auch die Warschauer Geographie kam nicht zu kurz: Eine Diashow von zentralen Gebäuden und Parks vermittelte Noch-Nicht-Kennern landeskundliches Wissen (und Kuriositäten) aus erster Hand gleich mit. Was den Entertainer und Kabarettisten ebenso wie den tiefsinnigen Schriftsteller Steffen Möller auszeichnet, ist, dass er im Gegensatz zu vielen seiner Landsleute über sich selbst, sprich: einmal über deutsche Sachlichkeit, im speziellen Fall über seine Wuppertaler Herkunft schmunzeln kann, sei es, wenn es um die legendäre Schwebebahn der Stadt geht oder – auf der Folie der Flüchtlingskrise – um die (nicht nur fiktive?) Auswanderung der Stadtbewohner nach Solingen. Mit einem Lied im Stil der Comedian Harmonists als Liebeserklärung an seine zweite Heimatstadt Warschau stellte er zudem sein Talent als Sänger erneut unter Beweis.

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