Selbst in den Lebensläufen australischer Komponisten, deren Spuren zwischenzeitlich ja häufiger nach Europa führen, ist ein Aufenthalt in den Niederlanden ungewöhnlich. Kate Neal vervollkommnete sich nach Jahren ihrer „Grundausbildung“ am Victorian College of the Arts in Melbourne bei Mary Finsterer am Königlichen Konservatorium Den Haag mit Louis Andriessen und am Sweelinck Konservatorium Amsterdam in dem unkonventionellen Spezialgebiet Karnatische Musik-Studien bei Rafael Rainer, wobei es sich um die Erkundung traditioneller südindischer Musik handelte.

Zurück in Melbourne im Jahr 2003 ging die initiativ agierende Künstlerin rasch daran, ihr eigenes Ensemble Dead Horse Productions zu begründen. Bei aller Affinität zu Pop, Rock und nichtwestlicher Folklore hielt sie die Fäden zu professioneller Weiterentwicklung fest in der Hand: Sie unterrichtete an der Accademia Musicale Chigiana in Siena und nahm ein Forschungsstipendium der Hephzibah Tintner Foundation in Sydney an. Kate Neal erhielt bereits mehrere Auszeichnungen, so den Albert Maggs Award und einen Preis beim Aspen Music Festival. Sie orchestrierte und arrangierte seither zahlreiche zur Aufführung vorgesehene Werke, nicht nur für popmusikalische Events, sondern auch für Puppentrickfilme, Choreographien und Tanzensembles. 2009 zog sie nach Princeton in die Vereinigten Staaten, um dort an ihrer Dissertation zu arbeiten und entwickelte wenig später in Melbourne ihr aktuelles Skalenmusikprojekt Semaphore, das auch dem Tanztheater verpflichtet ist. Die Choreographie integrierte sie dabei in die musikalische Faktur des Projekts.

Neben neun Musikern, die sowohl im Vordergrund als auch am Rand des Geschehens spielen, realisieren drei Tänzer die Aufführung des exakt 60 Minuten dauernden Bühnenwerks. Das zwischen den Genres als individuelles Experiment anzusiedelnde Tanztheater-Experiment gelangte es in diesem Jahr durch Arts House zur Uraufführung und stieß bei der Kritik auf Begeisterung: Dem Australian Arts Review vom 2. Juni zufolge übte das Konzert vor allem dank der Bühnenaktionen eine geradezu hypnotische Wirkung auf die Zuschauer aus und entführte sie in eine andere, verwirrende Wirklichkeit.

Gleichzeitig wurde Semaphore durch Eamon Kelly Anmut, Humor und Ernsthaftigkeit bescheinigt, Kate Neal habe dem Tanztheater damit eine neuartige visuelle und auditive Syntax eingeschrieben. Nur am Rande seien hier weitere wichtige Stationen ihrer Komponistenkarriere genannt: das spätromantisch wirkende und in seiner Diktion etwas an Theodorakis erinnerde Orchesterwerk Brave circus (1998), das einer Form des Avantgarde-Jazz verpflichtete Stück Rabid bay von 2004 für Klavier und Kammerensemble oder das witzig-düstere Texta-eyed bandit für Orchester, untertitelt als Geschichte eines Vorstadtverbrechens in den neunzigern, das auch mit minimalistischen Elementen spielt.
Schreibe einen Kommentar