Der früheste schriftliche Beleg für einen provenzalischen Tanz aus dem 17. Jahrhundert findet sich 1686 in Jean-Baptiste Lullys Prolog zu seiner Oper Acis et Galatée. Somit handelt es sich beim Rigaudon entweder um die Fortentwicklung aus einem oder einer Fusion von verschiedenen Renaissancetänzen oder um eine wirkliche ursprünglich in der Provence verbreitete Innovation aus der Epoche Ludwig XIV. In der Suite taucht er bei Georg und Gottlieb Muffat ebenso auf wie bei Caspar Ferdinand Fischer. Nach zwei Jahrhunderten weiterer Pflege auf den europäischen Tanzböden huldigten ihm kompositorisch wieder Maurice Ravel und Edvard Grieg mit einer stilisierten neobarocken Verbeugung …

Es verwundert nicht, dass der im Alla-breve-Takt mit einem Auftakt gehaltene lebhafte Rigaudon zumindest im aristokratischen Ambiente rasch an Beliebtheit gewann und naturgemäß zunächts in Ballettkompositionen eingesetzt wurde. Davon zeugt André Campras Werkkatalog ebenso wie derjenige Michel-Richard Delalandes oder noch Jean Philippe Rameaus. Der Grund liegt im Geheimnis von Wiederholung und Kontrast. In der Regel verfügt der bewegte Satz über drei Reprisen, wobei die dritte, häufig als Trio bezeichnet, im Gegensatz zu den repetierten ersten Reprisen steht. Diese Charakteristik verleiht dem Wesen des Tanzes ebenso viel Schwung wie ein überraschendes Element, das von den Ausführenden wohl als erfrischender „Kehraus“ erlebt wurde.

Als berückend melodisch sanft, elegant und durch die Kontrastierung gleichzeitig schmisig erweist sich Edvard Griegs Wiederaufnahme der Form in seiner häufig im Konzert zu hörenden Suite „im Alten Stil in G-Dur“ Aus Holbergs Zeit, die gleichzeitig eine Reverenz an den großen norwegisch-dänischen Komödiendichter Ludvig Holberg (1684 – 1754) darstellt. Dessen Politischer Kannengießer oder Jeppe paa Bjerget waren damals über den skandinavischen Raum hinaus beliebte Theaterstücke voll leichter Ironie und Heiterkeit.

Beim hier vorliegenden Rigaudon, der in der Suite als „Rausschmeißer“ mit seinem Kontrastthema bezeichnenderweise deren Abschluss bildet, handelt es sich allerdings eher um einen Knicks vor dessen barocker Spätzeit. Denn die Komposition atmet gegenüber den Versionen des Versailler Hofes schon beinahe die duftende Luftigkeit eines Frühlingstages im nordischen Rokoko, das dem frühen 18. Jahrhundert gemäß eine französische Mode (nur) aufgreift, aber eine eigene Variante präsentiert.

Maurice Ravel verwendet den Rigaudon fast gegensätzlich zu Griegs musikalischer Intention in einem heute ebenso häufig aufgeführten Tombeau, also Trauerstück auf den lange zuvor verstorbenen François Couperin. Auch hier steht der Tanz nach Prélude, Forlane und Menuet am Schluss, auch hier handelt es sich wenigstens zum Teil um eine Verbeugung vor den „alten Meistern“. Hier ist er gleichzeitig der heiterste Satz der gesamten Suite, denn eigentlich hatte Ravel sie dem Andenken an einen im Krieg gefallenen französischen Freund gewidmet. Die Brillanz des letzten Satzes verrät allerdings eher den Schluss einer Verklärung der Erinnerung und einen optimistischen Ausblick auf eine friedvolle Zeit. Griegs Komposition in der ursprünglich für Klavier konzipierten Holberg-Suite liegt in einer neueren Aufnahme mit Neeme Järvi und dem Symphonieorchester Göteborg vor, im Falle von Ravels Suite Le tombeau de Couperin ist die ältere Aufnahme von Charles Dutoit mit dem Orchestre symphonique de Montréal immer noch (erfrischend) hörenswert.
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