Kopenhagen 1911: eine Zeit reger Bauaktivitäten, ästhetischer Umbrüche, aber auch diverser Retroversionen in den Künsten: Der zentrale Hauptbahnhof mit seinen nordischen Jugendstilelementen im Inneren wurde fertiggestellt, Carl Nielsen saß gerade an der komplexen Partitur seines Violinkonzerts. Victor Bendix arbeitete an Deutschen Gesängen, der für seine Streichquartette bekannt gewordene Komponist Louis Glass fasste konkrete Pläne zu seinen Stimmungsbildern für Klavier, Asger Hamerik zu seinen Volksweisen mit Variationen für Streicher. In dieses Jahr fiel auch die Gründung des Musiksamfundet, eines Vereins für Kammermusik, durch Fini Henriques (1867 – 1940).

Der rührige langjährige Orchestergeiger hatte sich fünfzehn Jahre zuvor mit Kapellmeister Frederik Rung entzweit und war seither mit sehr großem Erfolg eigene Wege gegangen. Der Sohn des aus jüdischer Familie stammenden Justizrats Vilhelm Moritz Henriques war ein äußerst beweglicher, jeglichem intellektuellen Anspruch aber ferner Komponist, der die Musikszene des Landes mit seinem leichten, sonnig-glücklichen Temperament zu bereichern wusste. Nicht ohne Grund apostrophiert den Musiker ein französischer Artikel als das „Lächeln Dänemarks“.

Und tatsächlich, Henriques‘ Werke passen schon dem Titel nach zum luftig-leichten Ambiente dänischer Buchenwälder, Meeresstrände und grüner Parks: Muntere verspielte Werke wie die Suite in F-Dur für Orchester mit Solooboe aus seiner Zeit als Violinist in Kopenhagen oder der wenig später entstandene Mückentanz für Geige und Orchester spiegeln ein heiteres Gemüt. Die Violin-Romanze von 1894 zeigt auch eine andere, sehnsuchtsvolle und tiefgängige Seite des Komponisten, der aber anders als seine deutschen Kollegen nicht dazu neigte, sich zu vergrübeln oder im „Weltschmerz“ introversiv zu vergraben. Ausgelassene Töne schlagen hingegen der auch auf Paganini anspielende Teufelstanz von 1920 und noch Tata mit den beiden Czardas-Nummern aus dem Jahr 1932 an.

Ernsteren mythologischen Themen widmete sich der vielseitige Begründer eines eigenen Streichquartetts in der Orchestersuite Schmied Völund nach einer Figur der Edda aus Holger Drachmanns gleichnamigem Melodram und in seiner symphonischen Dichtung nach dem oft vertonten Andersen-Märchen Den lille havfrue („Die kleine Meerjungfrau“). Alle diese Meisterstücke sind in einer dem gefühlvollen Wesen des Komponisten sehr entgegenkommenden Einspielung bei da capo records mit Giordano Bellincampi am Pult, dem schwedischen Helsingborg Symphony Orchestra, der Geigerin Christina Åstrand und dem Oboisten Max Artved enthalten. Das zu Lebzeiten von Henriques sehr beliebte Wiegenlied für Violine und Orchester liegt als aktueller MP3-Download (B00BMT8PXW) mit Magnus Ericsson und dem Pianisten Hans-Olov Mellqvist vor.
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