Musik über Grenzen hinweg

Der schwierigen Lage Griechenlands zum Trotz, die noch durch die Flüchtlingswelle verschärft wird, äußert sich der mittlerweile 90jährige griechische Dirigent und Komponist weiter zu politischen und wirtschaftlichen Fragen. Er kämpfte einst für die Freiheit von der Diktatur und bekam den Hass der Mächtigen zu spüren ebenso wie er es später, als er sich in der Musikwelt schon einen Namen gemacht hatte, nicht zulassen wollte, von anderen für alle nur denkbaren Ideen vereinnahmt zu werden. Von seiner Athener Wohnung aus blickt Mikis Theodorakis auf die Akropolis. Er blieb also im Zentrum, ohne vor den enormen Herausforderungen der Zeit in die Idylle zu flüchten.

Mikis Theodorakis 1998 bei einem Konzert in Stoupa (Mani; Robert Schediwy, p.d.)
Mikis Theodorakis 1998 bei einem Konzert in Stoupa (Mani; Robert Schediwy, p.d.)

Der 1925 auf der Insel Chios geborene Musiker agierte nach seiner Zeit am Pariser Konservatorium, wo ihn auch Olivier Messiaen und René Leibowitz unterrichteten, maßgeblich am politischen Rand, später im Untergrund: 1960 gründete er die Demokratische Jugend Lambrakes, für die er eine Hymne schrieb. Als Abgeordneter der Linkspartei geriet er nach dem Militärputsch 1967 in die Fänge der Diktatur und saß drei Jahre lang im Gefängnis. Nach vier Jahren im Pariser Exil betätigte er sich wiederum politisch und wurde 1990 zum Staatsminister ernannt. Wo blieb bei diesem Engagement Zeit für die Musik? Sie bedeutete ihm eine lange Strecke seines bisherigen Wegs den „Ausweg aus der Verzweiflung“.

 

Nach 1981 erfuhr das Oratorium Canto General nach dem bekannten Lyrikband Pablo Nerudas über die kolonialistische Unterdrückung Lateinamerikas zahlreiche Aufführungen und Einspielungen (B00PXAQ5JM, 2015).
Nach 1981 erfuhr das Oratorium Canto General nach dem bekannten Lyrikband Pablo Nerudas über die kolonialistische Unterdrückung Lateinamerikas zahlreiche Aufführungen und Einspielungen (B00PXAQ5JM, 2015).

Die Wurzeln des Kompositionsschülers liegen zwar auch in der Zwölftontechnik, doch setzte sich nach den frühen symphonischen Werken immer mehr ein auf allgemeine Verständlichkeit hin ausgerichteter tonaler Stil durch. Insbesondere die einfache und eingängige Melodik seiner Vokalwerke, die häufig politisch motiviert waren, ließ ihn zeitweise weniger als Repräsentanten ernster Musik im strengen Sinn, sondern als Arrangeur volkstümlicher Lied- und Tanzkunst erscheinen. Seit etwa dreißig Jahren verknüpft Theodorakis Merkmale seiner frühen Symphonik mit dem später bevorzugten lyrisch orientierten Vokalstil.

Wie eine weite Landschaft ... die elusinischen Felder ... breitet sich der reich instrumentierte Orchestersatz in der Ballettsuite Carnaval aus (B0000AZRP7, Wergo 2013).
Wie eine weite Landschaft … die elusinischen Felder … breitet sich der reich instrumentierte Orchestersatz in der Ballettsuite Carnaval aus (B0000AZRP7, Wergo 2013).

Von neueren Aufnahmen seiner Orchester-, Chor- und Liedwerke sei zum einen eine Einspielung der Oper Antigone (1999) mit dem Staatsorchester Athen, die berückend instrumentierte Ballettsuite Carnaval (gekoppelt mit dem von einer Sopranstimme geleiteten Kammermusikstück Raven) und dem Petersburger Akademischen Staatsorchester empfohlen. Um eine herausragende Neuerscheinung im Label Gramola handelt es sich bei dem Oratorium Canto General nach dem bekannten Lyrikband von Pablo Neruda, den dieser als Anklage gegen den Kolonialismus schrieb. Die Komposition wurde immer wieder von Theodorakis ergänzt, bis sie 1981 endgültig abgeschlossen war. Es singt  neben der Sopranistin Julia Schilinski der Chor der Erste Bank, die Evangelischen Chöre und das Orquesta da Nuestra Tierra unter Leopold Griessler.

 

 

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