Einsteins Traum in Musik

An Cindy McTees prägnanten Charakterstücken, dem California Counterpoint etwa, den Ballets for Band, Finish Line oder Fanfare zeigt sich, dass die aus dem Bundesstaat Washington stammende Komponistin, die übrigens seit vier Jahren mit dem Dirigenten Leonard Slatkin verheiratet ist, ästhetisch „(n)irgendwo“ zwischen Leonard Bernstein und Elliott Carter anzusiedeln ist. Aus den europäischen Studienjahren bei Krzysztof Penderecki in Krakau brachte sie avantgardistische Ansätze mit, doch ihre Ausdruckswelt bezieht die Inspirationen vornehmlich aus dem Repertoire der großen amerikanischen Komponisten des 20. Jahrhunderts und der Big Bands – und natürlich grüßt gelegentlich auch der New Yorker Broadway aus der Ferne.

Ein nicht nur akustisch moderner Konzertsaal für Cindy McTees Werke: das Winspear Auditorium, am College of Music der  University of North (Craig D. Blackmon, 15.12.2009, p.d.)
Ein nicht nur akustisch moderner Konzertsaal für Cindy McTees Werke: das Winspear Auditorium, am College of Music der University of North (Craig D. Blackmon, 15.12.2009, p.d.)

Zuletzt lehrte sie viele Jahre hindurch Komposition am College of Music der Universität von Nord-Texas in Denton und war in maßgeblicher Position an den Aufgaben des UNT-Instituts zur Förderung der Künste beteiligt. Cindy McTees eigene Studienjahre an der Pacific Lutheran University in Parkland nahe ihrer Heimat, an der Universität von Iowa und an der Pacific Lutheran University prägten ihren grenzenüberschreitenden persönlichen Stil nachhaltig. Ihre Bedeutung in den Vereinigten Staaten spiegelt sich noch kaum im europäischen Konzertrepertoire, obwohl sie mehrere wichtige Preise abräumte – wie den Preis der American Academy of Arts and Letters und die höchste Auszeichnung im Kompositionswettbewerb von Louisville im Jahr 2001. Ihre 1. Symphonie: Ballet for Orchestra ebenso wie die (aber)witzigen und einfallsreichen Stücke Einstein’s Dream, Circuits und Double Play wurden unter der Leitung ihres Mannes – schon bald nach der Hochzeit – mit dem Detroit Symphony Orchestra für die Reihe American Classics beim Label Naxos eingespielt (B00FLBA2QU).

Einige ihrer Orchesterwerke bearbeitete McTee kurze Zeit nach ihrem Abschluss noch einmal für Blasorchester nach: Circuits, Finish Line und Timepiece. Diese Tendenz setzte sich auch bei anderen „Umbesetzungen“ durch: Ihr Adagio für Streicher von 2002 wurde ein Jahr später in ein Streichquartett „uminterpretiert“ ebenso wie sie Double Play 2010 zunächst als Orchestersatz ausarbeitete und danach in einen Satz für Bläserensemble abwandelte. So hatte sie nicht zuletzt die Möglichkeit, ihren Studenten zu demonstrieren, wie Arrangements auf der Ebene von moderner „E-Musik“ funktionieren.

Absolut empfehlenswert: die witzigen Orchesterstücke von Cindy McTee zwischen Strawinsky und Band Sound (B001SJXY8M, 2008)
Absolut empfehlenswert: die witzigen Orchesterstücke von Cindy McTee zwischen Strawinsky und Band Sound (B001SJXY8M, 2008), die schon von zahlreichen Orchestern weltweit interpretiert wurden

Die Freude am Experimentieren zeigte sich bislang auch in der Erprobung diverser Stilrichtungen: 1992 schrieb sie „M“ als computergeneriertes Stück, sechzehn Jahre später eine kammermusikalische Komposition, Bricolage, für Flöte mit einer für Computer programmierten Komposition. Die Neigung zu Bläserensembles erklärt sich wohl aus McTees Sympathie für den (Big) Band Sound, dem sie Soundings auf der Basis von Naturassoziationen und bestimmten Höreindrücken (1995) widmete. Auch Einstein’s Dream (2004) für Streichorchester, Perkussion und Computermusik und das frühere Stepping Out (1993) für Flöte mit Schlagzeug weisen auf die Vorliebe hin, traditionelle Instrumente mit Schlagwerk zu verbinden. Die in der Regel nach Genres und außermusikalische Themen charakterisierten kürzeren Orchesterstücke versammelt übrigens das hier nachdrücklich den HörerInnen ans Herz gelegte, 2008 erschienene MP3-Album der Serie Composer’s Collection mit der North Texas Wind Symphony und ihrem Dirigenten Eugene Migliaro Corporon bei GIA Publications.

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