Einen witzigen Zugriff zeigt der junge Pianist Alexej Gorlatch in der neuen Aufnahme der sonst eher selten und schon gar nicht auf Tonträger vorhandenen Werke Strawinskys für Klavier mit Orchester, wobei er am Schluss als Zugabe noch die umfangreiche Sonate in fis-Moll im Alleingang hinzufügt. Die Abfolge der Werke wurde von Alondra de la Parra, die hier am Dirigentenpult steht, dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und den Produzenten gut geplant: als Ausflug in Strawinskys eher kleine, aber vielseitige Piano-Welt: nämlich vom Dramatischen zum Heiteren. Sowohl die Orchesterleiterin als auch der Solist verstehen mehr als nur etwas von der Ironie, Luftigkeit und dem „Salonambiente“ dieser eher spielerischen, nicht ganz ernsten Werke.

Dabei liegen zwischen dem letzten Werk dieser CD, der Sonate von 1904 als sehr frühes Opus, und den wenigen, eingangs mit verschreckendem Poltern hereinbrechenden Largo-Takte des Konzerts für Klavier und Blasinstrumente ganze 20 Jahre, in denen sich der Komponist parallel zu seinen kontrastierenden Launen chamäleonartig weiterentwickelt hatte. Einzig in seinem Empfinden des Klavierklangs mit seiner „trockenen Klarheit“ scheint Strawinsky sich nicht gewandelt zu haben: Er verwendet es ähnlich wie Beethoven gerne auch, um damit zu singen – so im zweiten Satz Largo. Das Capriccio für Klavier und Orchester von 1928 dreht gegenüber dem polytonal geprägten Werk für Bläser mit Klavier dagegen das Rad scheinbar eher wieder zurück zu einem gefälligen spätromantischen Stil mit einigen der bereits vollzogenen Neuerungen. Dieses dreisätzige Konzertstück huldigt in sozusagen neo-frühromantischer Rückschau Carl Maria von Weber, den der Komponist selbst als „Fürsten der Musik“ einschätzte. Zur Interpretation hier ist zu bemerken, dass sich die Leichtigkeit und Transparenz des Spiels von Alexej Gorlatch kaum überbieten lassen wird.

Der gerade einmal einundzwanzig Jahre zählende westrussische Komponist sah sich als Maler und Zeichner mit Farben – ganz den „impressionistischen“ Werken seiner Zeitgenossen Debussy und Ravel verpflichtet. Jedoch steht die Sonate in fis-Moll in ihrem Duktus und Gehabe mehr Rachmaninoffs Stil und dem Gebaren Liszts als gefeierter Salonlöwe nahe. Und schließlich wäre das Verschwimmen der gemalten Farben nicht Strawinskys Sache gewesen …
Die 1980 in New York geborene Dirigentin Alondra de la Parra, die in der Einspielung behutsam und subtil mit den selten gespielten Werken umgeht, verlebte ihre Kindheit und frühe Jugend – als Celloschülerin – in Mexiko, bevor sie in London studierte und wieder nach New York umsiedelte und sich dort dem Klavier- und Dirigierstudium widmete. Erst dreiundzwanzigjährig gründete sie hier zum Zweck der Nachwuchsförderung in Nord- und Südamerika das Philharmonic Orchestra of the Americas. Sie dirigierte namhafte Orchester weltweit, unter anderem das Tivoli-Symphonieorchester Kopenhagen und das Philharmonische Orchester Montevideo.
Alexej Gorlatch, Jahrgang 1988 und Träger des ersten Preises des ARD-Musikwettbewerbs trat schon in der Carnegie Hall ebenso wie im Alfred-Cortot-Saal in Paris und in der Tokyo Opera City Hall. Er blickt bereits auf etliche Studio- und Liveproduktionen Einspielungen für namhafte Labels zurück und wird morgen, am 19. August, von Hamburg per Schiff auf dem Weg nach Bilbao unterwegs, dort im Rahmen der Sea Cloud Cruises um 20 Uhr ein Konzert geben, vom 23. bis 25. Oktober 2015 wird er mit Mozarts Klavierkonzert Nr. 13 C-Dur und dem Folkwang Kammerorchester in der Essener Villa Hügel das Konzertpublikum verzaubern.
Schreibe einen Kommentar