Melos-Experimente: Katy Abbotts ideenorientiertes Komponieren

Nicht zuletzt der beinahe wirklich in allen Sparten beschlagene Stuart Greenbaum – seien es geistliche Chorwerke, Kammermusik für Saxophon und Klavier oder schmissige Big-Band-Nummern wie Vodka meets a Martini – dürfte als Hochschullehrer Katy Abbott maßgeblich beeinflusst haben: Die Komponistin genießt in Sydney und ganz Australien einen besonderen Ruf als Darstellerin heimatlicher Aspekte und vor allem der menschlichen Natur  in Tönen. Ihrer Ergründung von Charakteren eignet darüber hinaus ein gewisser vorwitziger Humor. Greenbaums Versiertheit in diversen cross-over-Stilrichtungen dürfte sie auch in ihrer typischen Beimischung aktuellerer Klänge in überwiegend traditionsgerechte Besetzungen wie Streichorchester oder Bläsersextett beeinflusst haben. Doch ist das Überschreiten der genuin westeuropäisch etablierten Grenzen zwischen E- und U-Musik ohnehin seit vielen Jahrzehnten ein Merkmal australischer Aufführungspraxis.

Die CD Sunburnt Aftertones mit Stücken von Katy Abbott zum aufmerksamen Anhören erschien bei Move Records (B004J8Z23E, 2010).
Die CD Sunburnt Aftertones mit Stücken von Katy Abbott zum aufmerksamen Anhören erschien bei Move Records (B004J8Z23E, 2010).

Unter anderem ist es ihrer wissenschaftlichen Arbeit zum Schreiben für Vokalstimmen (im Zusammenwirken mit Brenton Broadstock und Linda Kouvaras) zu verdanken, dass die mittlerweile dreifache Mutter heute an der University of Melbourne als Dozentin für Komposition unterrichtet. In den letzten Jahren entstanden zunehmend Werke jenseits der offiziellen Linien der Genres: Für den australischen Fagottisten Mark Gaydon schrieb sie MultiSonics (2010), für das Ensemble Halcyon The Peasant Prince für einen Erzähler und Orchester (2009) und No Ordinary Traveler für Mezzo-Sopran und Trio-Ensemble – eine Koproduktion mit Jacki Holland (2006). Fast ausschließlich gehen alle ihre herkömmlich besetzten Stücke auf thematisch gesteuerte Entwürfe zurück: Dies gilt für die Streichquartett-Komposition Vertical horizon von der Jahrtausendwende ebenso wie für das aktuelle Blechbläserwerk Cross sections (2014) oder Valentine in einer Version für Saxophon oder Flöte mit Klavier (2011).

Mit dem philosophisch orientierten Vokalsextett Words of Wisdom, das sie aus adaptierten Texten unter anderem von D.H. Lawrence, Benjamin Franklin und Kaz Cooke collagierte, schuf sie 2003 ein kammermusikalisch besetztes Werk für zwei Soprane, Altstimme, Tenor und Bass, das zu einem größeren Teil unisono geführte Melodielinien aufweist. Katy Abbotts 1. Symphonie Souls of fire erschien im darauffolgenden Jahr und ist zwar wie alle weiteren Werke traditionell notiert, zeigt aber durch die spezifischen Klangkombinationen und Melodieschichtungen sowie behutsam eingesetzte polyphone Gestaltung eine in ihrem Melos ungewöhnliche, aber angenehme und klangfarblich höchst individuelle Seite. Das Bläsersextett Sunburnt aftertones von 2001 wurde für die CD-Veröffentlichung eingespielt und erscheint hier zusammen mit Egyptian wish für drei Saxophone, The empty quarter für 2 Perkussionisten mit Cello und anderen Werken 2010 beim Label Move Records (MCD 441). In Abbotts Werk spielen lautstarke Momente eine sehr untergeordnete Rolle; ihre leise intonierenden originellen Klangexperimente sind eher zum hochaufmerksamen Zuhören geeignet.

 

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