Zu dem bekannten Marathonläufer Adam Dobrzyński und der lebenden Jazzmusiker-Legende gleichen Nachnamens gesellt sich auch Ignacy Feliks Dobrzyński, der häufig in einem Atemzug mit dem großen Vertreter der älteren romantischen Schule in Polen, nämlich Stanisław Moniuszko, genannt wird. Der 1807 im wolhynischen Romanów geborene spätere Pianist drückte gemeinsam mit Frédéric Chopin die Hochschulbank bei Józef Elsner am Warschauer Konservatorium, bevor er mit dem Diplom in der Tasche Konzertreisen durch Deutschland unternahm, vor allem aber als Opern- und Orchesterdirigent wirkte. Bemerkenswert an seinem Kompositionsstil ist die Beachtung eines spezifisch polnischen Idioms, das sich als Prinzip der Symfonia charakterystyczna auch durch einen guten Teil seines Instrumentalwerks – etwa die erfolgreiche c-Moll-Symphonie, die zwei Klavierkonzerte und bie beiden Streichquintette – zieht.

Nach einem Libretto von Ludwik Paprocki schuf er zwischen 1836 und 1838 die umfangreiche Oper Monbar oder Die Freibeuter („Monbar czyli Flibustierowie“). Sie erfuhr 1861 eine umfassende Überarbeitung und trat von da an ihren Siegeszug in verschiedenen Städten an, etwa in Posen, dann auch in Berlin, nachdem sie in Warschau 1863 am Wielki Teatr uraufgeführt worden war. Allerdings blieb sie als gesungenes Bühnenwerk in seinem Schaffen singulär. Erfolg hatte Dobrzyński auf dem Gebiet vertonter bedeutender europäischer Literatur mit der nationalromantisch getönten Schauspielmusik Konrad Wallenrod (1859-65) nach dem überaus populären Gedicht von Adam Mickiewicz – mehr als 3o Jahre nach seiner Niederschrift. Die Verse waren auf dem Hintergrund der polnischen Aufstände gegen die russische Vorherrschaft entstanden und stellten den Hochmeister des Deutschen Ordens, Konrad von Wallenrode, als Litauer vor, der die Ordensritter in ihrem Kampf gegen die Bevölkerung absichtlich ins Verderben geführt haben sollte.

Nur ein Jahr, nachdem Feliks Dobrzyński die Arbeit an diesem politisch als Identifikationsmuster bedeutsam gewordenen literarischen Werks aufgenommen hatte, schrieb er die Schauspielmusik zu Victor Hugos spätem Drama Die Burggrafen („Les burgraves“) aus dem Jahr 1843. In Verbindung mit den Inspirationen, die Hugo in seinem Reisebericht Der Rhein festgehalten hatte, werden hier die historischen Ereignisse der Region als von mythischen Kräften gesteuerte in Versform präsentiert. Barbarossa, der den Machtanspruch auf Jobs Burggrafenschaft beansprucht, schreckt zuletzt vor dem Komplott, das zu dessen Ermordung führen sollte, zurück, da er die Bindung an seinen Vasalleneid höher bewertet. Da das Stück in seiner Strukturgebung gegen die Regeln der Bühnentheorie von 1827 verstieß, nach dem das Erhabene nun mit dem Komischen vermischt sein sollte, war es lediglich für ein Honoratiorenpublikum geschrieben und fand bei der jüngeren Generation von Theaterbesuchern erwartungsgemäß kein Echo. Vielmehr stellt es in der französischen Literatur geradezu den Abschluss der romantischen Dramenästhetik dar, stieß aber gerade als Nachhall auch in Polen auf Interesse.

Dabei lässt sich Dobrzyńskis Begeisterung für romantische Literatur nicht alleine an ernsten Dramenstoffen festmachen: In der hochproduktiven Zeit von 1861 gestaltete er die Komödie Sztuka i handel („Kunst und Handel“) instrumentalmusikalisch nach. Die Vorlage dazu lieferte ursprünglich ein französischer Dreiakter, der sich in Polen großer Beliebtheit erfreute. Außer der 2. Symphonie in c-Moll, der Streicherkammermusik, den Klavierwerken und insbesondere den beiden Klavierkonzerten in einer neuen Aufnahme von 2014 und einer Auswahl aus den Liedern ist bedauerlicherweise von den Werken des in Warschau 1867 verstorbenen wichtigen romantischen Komponisten auf Tonträgern bislang nicht viel erschienen. Die Ouvertüre zur Oper Monbar oder Die Freibeuter liegt jedoch in einer aktuellen Einspielung mit dem Polnischen Radiosinfonieorchester unter Łukasz Borowicz beim Label Chandos vor.
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