Coplands Spuren auf Kuba?

Mit den Kompositionen des (viel zu) früh verstorbenen Alejandro García Caturla hielten impressionistische Einflüsse in der Musik Einzug auf Fidel Castros späterer „Festungsinsel“. Caturlas Dozentin in Paris, Nadia Boulanger, nannte den Kubaner eine Naturkraft. Dieser Aspekt seiner Musik kam gerade in den Tänzen zum Ausdruck, in Nummern wie No quiere juego con tu marido, La viciosa und La número tres, die er im Alter von 18 Jahren komponierte, vor allem aber mit Danza lucumi und Danza Racumin aus seinem Sammelalbum von 1927. Er gab der Entwicklung des Konzertwesens auf Kuba wesentliche Impulse: In seiner Geburtsstadt Remedios gründete der ausgebildete Violinist nach seiner Rückkehr aus Europa ein Kammerorchester und in Caibarién eine Konzertgesellschaft, dank derer die Werke von de Falla, Ravel und Debussy Verbreitung fanden.

Carlos Farinas komponierte die Ballette Despertar und Yagruma - letzteres für das Kubanische Nationalballett (zwei kubanische Ballettänzer, Angélica Martínez 2013, Monterrey Institute of Technology, México).
Carlos Fariñas komponierte die Ballette Despertar und Yagruma – letzteres für das Kubanische Nationalballett (zwei kubanische Ballettänzer, Angélica Martínez 2013, Monterrey Institute of Technology, México).

Alejandro Caturla schrieb neben Klavier- und Orchesterwerken auch eine konzeptionell singuläre Oper, Marita en el suelo, nach Alejo Carpentier für Marionetten und einen Schauspieler – diese gelangte allerdings erst im Jahr 1985 in einer rekonstruierten Fassung in Havanna zur Uraufführung. Das Konservatorium der Hauptstadt wurde nach dem – 1940 in tragischer Weise mit erst 34 Jahren einem Mord zum Opfer gefallenen – Komponisten benannt. Hier unterrichtete seit 1963 Carlos Fariñas Cantero (1934 – 2002), ein Schüler von Harold Gramatges und dem ebenso namhaften Tonsetzer Enrique González Mántici. Fariñas konnte fern der heimatlichen Karibikinsel in Tanglewood am Berkshire Music Center bei Aaron Copland weiterstudieren, außerdem für zwei Jahre bei Kabalewski und Iwanowitsch Pirumow in Moskau – was deutliche Spuren hinterließ und der kubanischen Musik einen (post-)modernen Anschub gab: Es entstanden nach dem frühen Ballett Despertar (1959) seit 1973 Yagruma als Auftragskomposition des kubanischen Nationalballetts für Orchester, Schlagzeug und Tonband und in Folge überwiegend elektroakustische Werke.

Alejandro García Caturla gilt mit seinen Initiativen ebenso wie mit seiner Tanzmusik für Klavier als einer der Urväter des modernen kubanischen Musiklebens (Cuba and its music, p356 1930er Jahre, p.d.).
Alejandro García Caturla gilt mit seinen Initiativen ebenso wie mit seiner Tanzmusik für Klavier als einer der Urväter des modernen kubanischen Musiklebens (Cuba and its music, p356 1930er Jahre, p.d.).

Eines von diesen entstand bereits 1972 in Zusammenarbeit mit dem kanadischstämmigen kubanischen Musikpädagogen Sergio Barroso: Diálogos für Tonband, Dias und Publikum. Erst im höheren Alter widmete sich Carlos Fariñas auch wieder dem traditonellen Instrumentarium und komponierte für den Cellisten Carlos Prieto 1998 ein Konzert, ein Jahr später eines für Gitarre zu „treuen Händen“ von Joaquín Clerch Díaz, übrigens einem Schüler von Nikolaus Harnoncourt. Durch Coplands Unterricht war Fariñas freilich nicht in Experimente mit Tonbandgeräten und anderen elektronischen Instrumentarien eingeweiht worden, sondern in Schönbergs Zwölftonmusik. Auf diese Weise hinterließ die Zweite Wiener Schule ebenso ihre Spuren im kubanischen Sand. Ihre formal(istisch)en Qualitäten kamen dem kommunistischen Kulturdiktat sicher nicht ungelegen; für Fariñas Gefallen an Computermusik dürfte sie weniger Verständnis gezeigt haben …

Der in vielen Stilen versierte Gitarrist Manuel Barrueco nahm sich auch der Musik von Caturla und Farinas an (Cuba!  B00000IG2V, 1999).
Der in vielen Stilen versierte Gitarrist Manuel Barrueco nahm sich auch der Musik von Caturla und Fariñas an (Cuba! B00000IG2V, 1999).

Manuel Barrueco spielte in seiner Anthologie von 1999 den kraftvoll-schmissigen Danza lucumi von Alejandro Caturla ein, der Ballette Dione und Despertar von Carlos Fariñas nahm sich der Dirigent Enrique Pérez Mesa mit dem Orquesta Sinfónica Nacional de Cuba beim Label Colibri an. Lateinamerikanische Klaviermusik auch aus der Feder von Fariñas präsentierte bislang außerdem Irma Ametrano in ihrer Einspielung aus dem Jahr 2006 für Man Harmonia Mundi.

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