An der Wilhelms-Universität zu Münster präsentierten im Mai und Juni vergangenen Jahres sieben jüngere brasilianische Komponist(inn)en ihre Werke im Rahmen der Konzertreihe Musik unserer Zeit. Workshops mit Studierenden standen dabei gleichermaßen auf dem Programm Nicht ganz stimmig wurde diese 22. Ausgabe der erfolgreichen Reihe im Vorfeld der in Brasilien ausgetragenen Fußball-WM angesiedelt, denn die Foren für zeitgenössische und avantgardistische Musik bilden mit dem Ereignis eine eher kleine Schnittmenge. Der Frauenanteil unter den Künstlern war für derartige Events bemerkenswert hoch, was aber mit der Selbstverständlichkeit einer paritätischen Besetzung des Faches Komposition in Brasilien zu tun hat – und außerdem mit der dortigen Tradition im 19. Jahrhundert, als bereits einige namhafte Komponistinnen wie Chiquinha Gonzaga unter emanzipatorischem Anspruch auftraten und Orchester oder Ensembles von engagierten Komponistinnen ins Leben gerufen wurden.

Hier soll die Rede von Valéria Bonafé, Silvia Ocougne und Silvia Maria Pires Cabrera Berg sein. Letztere arbeitet derzeit als Hochschuldozentin an der Universität von São Paulo und kann auf eine längere Zeit intensiver Kooperation mit Musikern zurückblicken: So spielte Valeria Zanini ihr gesamtes Klavieroeuvre ein, in letzter Zeit arbeitete Silvia Berg mit Kolleg(inn)en in Mexiko an dem Musikprojekt Canto de la Monarca. Konzeptionell berücksichtigte sie durchgängig die Persönlichkeiten der Ausführenden, denen sie ihre Werke zueignete: Sie schrieb für die Flötistin Sara Lima, für das Trompete- und Schlagzeug-Duo Eliana und Carlos Sulpicio, für den Pianisten Antonio Eduardo, die Sängerin Yuka de Almeida Prado. Mit der amerikanisch-mexikanischen Pianistin Ana Cervantes partizipierte die Dirigentin am Internationalen Kompositionsprojekt, das in der Produktion der CD Solo Rumours resultierte. Sie gestaltete schließlich auch das kubanische XXV Music Festival La Habana maßgeblich mit.

Valéria Bonafé sieht sich selbst als Künstlerin im Sinne der Realisation von kollidierenden Klangumgebungen und nimmt so eine dezidiert exzentrische Gegenwartsposition ein. Ihr Interesse richtet sich ausschließlich auf Instrumente und an die Töne, die diese hervorzubringen in der Lage sind. Darüber hinaus nimmt in ihrem ästhetischen Denken der Aspekt der Räumlichkeit von Klangerzeugung einen wichtigen Platz ein.
Die von Valéria Bonafé wenig geschätzte bürokratische Kehrseite des öffentlichen Konzertbetriebs war für sie Anlass, eher an akademischen Aktivitäten – wie den Tagen Musik unserer Zeit in Münster – teilzunehmen und vor allem schöpferisch tätig zu sein; daher sind auch viele ihrer neueren und neuesten Stücke auf ihrer eigenen Website anzuhören. duplex für Solotrompete entstand 2006, das Kammermusikwerk olinda 2012 für eine sehr individuelle Auswahl von sieben Instrumenten, die Edition ihres ersten Orchesterwerks lagoa liegt nun sieben Jahre zurück. 2014 komponierte sie A terceira margem do rio („Das dritte Ufer des Flusses“) für Bassflöte, Englisch Horn, Bassklarinette und Perkussion. Ihre brasilianische Kollegin Silvia Ocougne lebt übrigens in der deutschen kulturellen Kreativmetropole Berlin. Sie arbeitet ebenso als Musikerin und Kunstschaffende mit zukunftsweisenden Konzeptionen – momentan an Klang-Sam-Sound, eine Unternehmung, die sowohl Experimentelle Klangräume als auch das interkulturell angelegte Projekt Schwingungen-Töne-Klänge umfasst.
Schreibe einen Kommentar