Welche Fusion ein chinesisch geprägtes Elternhaus, eine Kindheit in Brunei, ein Studium der Philosophie in Queensland, der Komposition in Melbourne und Amsterdam zusammen mit einem ausgeprägten Individualstil erzeugen kann, das führt derzeit die Australierin Liza Lim vor. Sie arbeitete mit dem SWR-Sinfonieorchester zusammen und leitete zwei Jahre hindurch das Sydney Symphony Orchestra. Momentan lehrt die 1966 in Perth geborene Komponistin in Großbritannien an der Universität von Huddersfield, zuvor unterrichtete sie unter anderem in Darmstadt und Berkeley. Aufgrund ihres Werks und des Engagements für zeitgenössische Musik nahm sie etliche Ehrungen entgegen, unter anderem den Paul-Lowin-Preis oder den Fromm Foundation Award. Ihr künstlerisches Selbstverständnis beruht in Verbindung mit abendländischer Moderne auf fernöstlichen Einflüssen aus Korea, Japan und China und der spezifischen Musik der Aborigines in ihrem Heimatland.

Lims Werkkatalog umfasst bislang Kammermusik ebenso wie Stücke für individuell zusammengestellte Ensembles, programmatisch orientierte Orchestermusik, Solostücke für Flöte, Violine, Viola, Posaune und Klarinette sowie fünf große Bühnenwerke. Eine Besonderheit in ihrem Schaffen macht aus, dass sie – mit chinesischen wie australischen Wurzeln – keine Scheu vor der Einbeziehung anderskultureller religiöser Musik aus verschiedenen Weltkulturen kennt: Mit Yuè Lìng Jié (1991-99) schrieb sie eine rituell begründete chinesische Straßenoper zum „Fest des Mondgeistes“, die auf einem Libretto von Beth Yahp beruht. Bei Sri Vidya (1994-95) mit dem Untertitel Äußerungen der Anbetung handelt es sich ebenso um ein religiös ausgerichtetes Werk für Chor mit Orchester, für verschiedene Blasinstrumente unter Einbeziehung von Schlagwerk komponierte die Australierin 1989 Voodoo Child. Die auf 7 Nächte ausgedehnte Installation mit Musik Bar-do’i-thos-grol (1994-95) mit dem Künstler Domenico De Clario basiert auf dem Tibetischen Totenbuch.

Hier zeigt sich die Neigung zu einem künsteübergreifenden Schaffen genauso wie im 2005 entstandenen Glass House Mountains in Kooperation mit der Künstlerin Judy Watson. Die Einbeziehung elektronischer Musik, ein Erbe der Avantgarde nach dem Zweiten Weltkrieg, bestimmt ihre Oper The Navigator, die 2008 in Melbourne uraufgeführt wurde. Auf außermusikalische Inhalte bezieht sich Lims 2001-2002 zur Einweihung der Walt Disney Concert Hall komponiertes symphonisches Werk Ecstatic Architecture. Von Humor zeugen Ensemblestücke für diverse Instrumente wie Diabolical Birds (1990) oder Street of Crocodiles, letzteres für verschiedene Streichinstrumente, Cymbalum, Flöte, Oboe, Altsaxophon und Altposaune (1995). In diesem Jahr erschienen bei der Harmonia Mundi wichtige aktuelle Orchesterwerke Liza Lims wie Ochre und The Guest, unter anderem mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Anlass zum Hineinhören in komplexe wie kulturell vielgesichtige Gegenwartskunst.
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