Sonaten mustergültig kontrapunktisch – noch am Ende des Barockzeitalters

Aus dem Porträt blickt uns ein echtes Glückskind seiner Zeit an: Kaum ein deutscher Opernkomponist war in Italien, der Wiege des modernen Musiktheaters, (jemals) so erfolgreich wie „Il divino sassone“ Johann Adolph Hasse (1699 – 1783), der nicht aus einem der Zentren des Musiktheaters kam, sondern aus dem eher überschaubaren  Bergedorf unweit von Hamburg, in dem schon seine Vorfahren als Organisten gewirkt hatten. Dabei verglomm seine Karriere am Ende seiner Hauptschaffenszeit einem Glühwürmchen nicht unähnlich: Grund war die Abhängigkeit von einem spezifischen Virtuosentum im Gesangsfach, das nach 1750 schnell nicht mehr gefragt war. Seine Gemahlin Faustina Bordoni, die in ganz Europa gefeiert wurde, verkörperte das Ideal dieses Sängertyps. Um es auf einen ästhetischen Nenner zu bringen: Hasses Librettist Metastasio, dem er wie sonst keiner nahe stand, sah in der Melodie der menschlichen Stimme die vollkommene Vermittlung der Affekte mit dem Ziel der Rührung beim Zuhörer.

Ausgewogen und munter musiziert wirken Hasses Triosoanten auf der Einspielung des Ensembles Epoca Barroca von 2004 (Chandos early music, B000632L12 ).
Ausgewogen und dennoch munter wirken Hasses Triosonaten auf der Einspielung des Ensembles Epoca Barroca von 2004 (Chandos early music, B000632L12 ).

Konservativ an Hasses Stil war jedenfalls seine metastasianische reduzierte Verwendung des vom Orchester begleiteten Rezitativs zugunsten der Arien – was als Erbe seiner Zeit am Dresdner Hof gesehen wurde. Doch auch in der Instrumentalmusik erwies sich der Organist, der mit 23 Jahren über den norddeutschen Tellerrand nicht nur hinausblickte und bei Nicola Porpora und Alessandro Scarlatti in Neapel Komposition zu studieren begann, zunehmend als Meister des elaborierten Satzes. Sein Zeitgenosse Georg Friedrich Händel tendierte schon länger zu homophoner Satzweise, während Hasse weiterhin den Kontrapunkt, allerdings in einer deutlich eleganteren Form als seine im deutschen Sprachraum verbliebenen Kollegen weiterpflegte. Daher waren auch seine Sonaten bei aller „barocken“ Kunstfertigkeit alles andere als ein „alter Zopf“. Selbst in diesen Nebenprodukten, die zu Lebzeiten vor den Bühnenwerken Attilio Regolo, Cleofide und Antigono zwangsläufig verblassen mussten, zeigen sich noch heute die einst vom Musikreisenden Charles Burney attestierten Merkmale des Genies, des Geschmacks und der Urteilskraft.

Das schon in den 1990er Jahren – etwa beim Festival Amici della Musica di Firenze – erfolgreiche Kammermusikensemble Epoca Barocca hat sich dem Schaffen von Komponisten der Zeit zwischen 1690 und 1750, zwischen Caldara und Zelenka verschrieben. Dabei bildet die Quadro- oder Triosonate mit konzertierendem Bass einen Schwerpunkt. So mussten die Musiker „irgendwann“ auch auf das bislang eher kryptisch archivierte entsprechende Repertoire Johann Adolph Hasses stoßen. Zuletzt erschienen in Verbindung mit dem Berliner Saxophon Quartett eine in der Besetzung eher unorthodoxe Einspielung von Renaissancemusik, Stölzels Dresdener und Brüsseler Sonaten für vier Instrumentisten und 2014 Janitschs Kammer- und Kirchensonaten in berückenden Aufnahmen.

Als Glückskind (der Musen) konnte sich der gefeierte Opernkomponist Johann Adolph Hasse unter anderem in Neapel und Wien fühlen (www.haendel.it; Cestina, p.d.).
Als Glückskind (der Musen) konnte sich der gefeierte Opernkomponist Johann Adolph Hasse unter anderem in Neapel und Wien fühlen (www.haendel.it; p.d. upl. Phrood).

Gerade die Sonaten und Triosonaten aus Hasses mittlerer Schaffenszeit werden vom Ensemble in mustergültiger Weise präsentiert, die sowohl die elegisch-intimen Momente der empfindsamen Epoche als auch die Unbeschwertheit des traditionellen Schäferspiels und des komödiantischen Auftritts kennt. Der Oboist Alessandro Piqué, die Geigerin Margarete Adorf, die Cellistin Ilze Grudule, der Cembalist Christoph Lehmann und der Fagottist Sergio Azzolini verstehen es darüber hinaus, die polyphon-kontrapunktischen Strukturen der Stücke in präzisem Zusammenspiel herauszuarbeiten.

 

 

 

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert