Wandel einer Tanzform aus höfischer Konvention

Thomas Maces Kompendium Musick’s Monument ordnete 1676 die vermutlich aus Spanien oder auch Mexiko stammende Sarabande den schnellen Tänzen im Dreiertakt zu, während die Form wenig später bei Arcangelo Corelli zwischen den höchst unterschiedlichen Tempoangaben Vivace, Allegro, Adagio und Largo oszilliert. Dies weist schon gegen Ende des 17. Jahrhunderts auf einen immer freieren Umgang mit der eigentlich höfisch streng gebundenen Funktion in der Suite hin. Dabei weiss man über ihren ursprünglichen Gebrauch nicht viel – außer, dass sie von ihren Anfängen her als ausgelassener, im 16. Jahrhundert auch gesungen wurde. Ihre Liedtexte stimmen mit der Refrainform des arabischen Zéjel überein. Wegen ihres eher überschäumend heiteren Charakters wurde 1583 ihr Absingen in Spanien unter Strafe gestellt. Als Tanz zeichnet sie sich durch die Gegenüberstellung der ausführenden Paare aus, die instrumental durch Gitarre, Kastagnetten und gelegentlich auch von der Schellentrommel begleitet wurde.

Prägnantes Beispiel für eine dem Cembalo zugeschriebene Sarabande aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts von Johann Kuhnau (Teil III der Sammlung Neue Clavier-Übung; AnaG 5.2.2012)
Prägnantes Beispiel für eine dem Cembalo zugeschriebene Sarabande aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts von Johann Kuhnau (Teil III der Sammlung Neue Clavier-Übung; AnaG 5.2.2012)

1606 erscheint die Sarabande zum ersten Mal gedruckt als musikalische Quelle in Girolamo Montesardos Nuova inventione d’intavolatura, wenig später in Michael Praetorius‘ Sammlung Terpsichore zusammen mit kombinierten Beispielen von Courante-Sarabanden. Im Laufe des 17. Jahrhunderts wurde auch ein bestimmtes harmonisches Schema zugrundelegt, das vor der heutigen Unterscheidung der Tongeschlechter dem G-Modus zugewiesen war. Esaias Reusners Lautenbuch Delitiae Testudinis von 1667 ordnet der Sarabande einen festen (vorletzten) Platz in der Suitenfolge zwischen dem zweiten Tanz Courante und der abschließenden Gigue zu. Hier hat sie aber bereits ihre Wandlung zum langsamen Tanz erfahren. Seither wurde sie überwiegend im 3/2- oder 3/4-Takt notiert.

Maurice ravel spielte 1911 mit großem Erfolg Saties Zweite Sarabande - mehr als eine Rückbesinnung auf die hohe Zeit des Tanzes? (Erik Satie auf einem Gemälde von Suzanne Valadon 1893, Musée National d'Art Moderne, Paris; Quelle: oil on canvas, p.d.)
Maurice Ravel spielte 1911 mit großem Erfolg Saties Zweite Sarabande – mehr als eine Rückbesinnung auf die hohe Zeit des Tanzes? (Erik Satie auf einem Gemälde von Suzanne Valadon 1893, Musée National d’Art Moderne, Paris; Quelle: oil on canvas, p.d.)

Bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts hinein fand sie eine zunehmend vom eigentlichen Zweck abstrahierte Verwendung in der Instrumentalmusik. Eine solche freiere Gestaltung wurde wohl auch dadurch begünstigt, dass sie zunehmend durch Variationen ergänzt wurde, in der entweder alle Stimmen beteiligt werden oder die Oberstimme ornamental ausgeführt erscheint. In Händels besonderem Gebrauch der Form wird die Nebenbetonung der zweiten Zählzeit zum Muster. Dieser Grundrhythmus zeichnet insgesamt auch die Behandlung des Tanzes in J.S. Bachs Suiten aus. Jean-Jacques Rousseau wusste allerdings schon ein halbes Jahrhundert später zu berichten, dass sie außer in der alten französischen Oper außer Gebrauch gekommen sei. Eine echte Renaissance erlebte die Sarabande erst wieder im Sinne einer neobarocken oder neoklassizistischen Rückbesinnung – nach Claude Debussy – etwa durch Erik Satie, besonders aber mit Igor Strawinskys Saraband-Step in seinem 1957 veröffentlichten Ballett Agon und durch Poulencs Gitarrenstück Sarabande aus dem Jahr 1960.

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